Auf dem Weg zum Parco Ciani
Es ist schon später Nachmittag als wir Lugano, die grösste Stadt des Tessins am gleichnamigen See mit dem orangen Zug von Agno aus erreichen, nachdem wir uns erst einmal auf dem Campingplatz eingerichtet und orientiert haben. Die fast sommerlich anmutende Wärme macht Lust, zu flanieren. Wir wollen den Puls der Stadt spüren und dem Parco Ciani einen Besuch abstatten. Da der Bahnhof oberhalb der Stadt liegt, geniessen wir erst einmal den atemberaubenden Blick auf die Stadt, bevor wir langsam die Treppen neben der Standseilbahn hinuntersteigen. Vor uns ragt der Glockenturm der Kathedrale San Lorenzo in den Himmel.


Da in der Kirche eine Andacht stattfindet, gehen wir nicht hinein, sondern folgen dem Weg weiter hinab in die Stadt.

Gleich an der ersten Ecke lassen wir uns zu einem Eis verführen. Ja, so fühlt sich Urlaub an. Der Schaufensterbummel macht Spass, fällt doch das Angebot an Waren aus der Masse heraus.


Wir lassen uns weithin treiben.


Und schon stehen wir auf der Piazza della Riforma. Hier, wo normalerweise das Leben pulsieren würde, eilen heute nur wenige Menschen hin und her. Ein paar Touristen machen Fotos, aber da die Restaurants geschlossen sind und man sich nirgendwo hinsetzen kann, bleibt einem nichts anderes übrig, als weiterzugehen.

An der Piazza della Riforma befindet sich auch die Touristinformation. Noch unentschieden, ob wir am nächsten Tag den Olivenhainen am Monte Bré oder der Rundumsicht am Monte San Salvatore und dem Parco San Grato den Vorrang geben sollen, besorgen wir uns weitere Informationen.
Weiter führt uns der Weg zur Seepromenade. Hier versammeln sich die Leute. Sie sind erfinderisch und bringen sich ihren Prosecco und die Gläser selber mit. Über allem wacht Wilhelm Tell.

Der Parco Ciani – ein Ort der Erholung
Und schon stehen wir am Eingang in den 63.000 m2 grossen Park. Der Schatten uralter Bäume, gepflegte Blumenbeete, englischer Rasen und Strandabschnitte am See locken viele Menschen in den Parco Ciani zum Relaxen. Der Park erstreckt sich vom Stadtzentrum bis zur Mündung der Casserate. Auf der anderen Seite am Hafen chillen die Jungen bei Musik. Neben der Villa Ciani befinden sich im Parco Ciani ein Bootshaus, die Kantonsbibliothek, das Kantonale naturhistorische Museum, der Garten der Gerechten. In der Nähe des Flussdeltas befindet sich ein schön gestalteter Spielplatz. Hier spielen Kinder vergnügt, während sich die Eltern am Rand unterhalten. Auf den Wiesen wird gepicknickt, gelesen, geschlafen und diskutiert. Bevor ich euch ein paar Kunstwerke im Parco Ciano vorstelle, zeige ich euch erst noch ein paar Bilder des Parks für einen Eindruck.







Der Parco Ciani bietet nicht nur dem Botanikfan, sondern auch dem Kunstliebhaber etwas fürs Auge und den Geist. Teilweise sind die Skulpturen dauerhaft im Park und teilweise wechseln sie.
Kunst im Park
Die Verbindung von Kunst und Natur
Zuerst kreuzt eine auffällige, kugelförmige, in der Sonne spiegelnde Skulptur mit tiefen Einschnitten unseren Weg.

Sie macht uns neugierig. Fordert sie uns doch in mehrfacher Hinsicht heraus. Erstens ist es nicht einfach sie zu fotografieren. Schliesslich geben die Spiegelungen, die der blankpolierte Stahl produziert, dem Werk eine weitere Dimension. Dadurch entsteht eine spannende Interaktion zwischen Betrachter, reflektierter Umgebung und Kunstwerk. Aus welcher Perspektive, von welcher Seite wird man dem Kunstwerk am gerechtesten?
Als nächstes versucht das Gehirn eine Beziehung zum Titel «Big data» herzustellen. Es gibt so viele Assoziationen, die uns dazu einfallen. Als letztes erweitern wir unseren Horizont, denn wir haben noch nie vom bekannten albanischen Künstler Helidon Xhixha gehört. Die Skulptur «Big data» ist scheinbar ein Überbleibsel einer über die Stadt Lugano 2019 verteilten Ausstellung des Künstlers unter dem Titel «Reflektionen des Lichtes».
Im Wasser fesselt dann die Skulptur «Twin Bottles » unsere Aufmerksamkeit. Ich würde sagen, dass dieses Kunstwerk mit anderen Kunstwerken im Park korresponiert, welche uns mahnend auf die Verschmutzung der Meere durch Plastik hinweisen.

In einem Garten ging das Paradies verloren …
Im Gegensatz zu den Xhixha Skulpturen steht die auffällig weisse Sokrates Skulptur immer im Parco Ciani. Sieht man die Skulptur zum ersten Mal, denkt man, was für ein schönes Plätzchen er sich zum Schlafen ausgesucht hat. Anschliessend realisiert man, dass es Sokrates ist. Und während ich denke, philosophieren macht müde, fallen mir wie nebenher die überlieferten berühmten Zitate von Sokrates ein: «Ich weiss, dass ich nichts weiss» und «Wer die Welt bewegen will, sollte erst sich selbst bewegen».
Wäre es nicht wünschenswert, wenn mehr Menschen, bevor sie handeln diese ersten Wege zur Erkenntnis beschreiten würden. Erst später lese ich, dass die Skulptur eine Kopie einer 1875 angefertigte Marmorstatue des sterbenden Sokrates von Mark Matwejewitsch Antokolski ist. Das Original befindet sich im Russischen Museum in Sankt Petersburg. Es soll der Augenblick, indem ihm der Schierlingsbecher aus der Hand fällt, festgehalten worden sein. Von seinen Kritikern mundtot gemacht worden zu sein, passt auch als Mahnung in die heutige Zeit.
