Entlang der Limmat vom Hauptbahnhof zum Kloster Fahr
Zürich ist eine Stadt am Wasser. Hier pulsiert das Leben vor allem im Sommer. Parkanlagen, Seebäder und Flussbäder prägen das städtische Leben. In diesem Beitrag nehme ich dich mit auf einen Spaziergang entlang der Limmat. Wir starten vis-a-vis vom Hauptbahnhof Zürich am Landesmuseum und folgen dem Kloster-Fahr-Weg, wobei wir immer wieder die Seiten der Limmat wechseln. Dabei entdecken wir einen Teil der vielfältigen Industriegeschichte von Zürich. Wir spazieren durch Zürich Letten und streifen Zürich West, das ehemalige Industriegebiet, welches sich zu einem hippen Quartier aus alt und neu entwickelt. Ausserdem werfen wir einen Blick auf die berühmten Flussbäder und geniessen einfach das schöne Wetter und die Natur. Sind die Badis geöffnet, sollte man sein Schwimmzeug einpacken, aber auch sonst ist es ein abwechslungsreicher Spaziergang.
Die reine Wanderzeit zwischen dem Hauptbahnhof Zürich und dem Kloster Fahr wird mit 2,15 Stunden angegeben. Da es viel zu entdecken gibt, haben wir die doppelte Zeit gebraucht. Wie immer gilt, lass dich inspirieren und mache dir dein eigenes Bild. Du willst lieber durch die Innenstadt von Zürich bummeln, dann solltest du meine Zürich-Tipps mit dem Plädoyer Türen zu öffnen nicht verpassen. Unerwartete Naturlandschaften findest du in Zürich beispielsweise in den Naturschutzgebieten rund um den Flughafen Zürich.
Industriegeschichte Zürich, Parks und Wasser
Platzspitz, wo Limmat und Sihl zusammenfliessen
Unsere kleine Wanderung entlang der Limmat in Zürich beginnt im Park hinter dem Landesmuseum. Dieses Stück Land, welches sich zwischen den beiden Flüssen Limmat und Sihl befindet, die am Ende des Parks zusammenfliessen, hat eine lange Geschichte. Der Aufstieg von der einstigen Viehweide zum Schiessplatz und Platz für Schützenfeste (Knabenschiessen) und Jahrmärkte zur beliebten barocken Parkanlage dauerte bis in die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts. Dann erreichte der Platzspitz-Park traurige Bekanntheit weit über die Grenzen der Schweiz hinaus als «Needle-Park». Das Buch Platzspitzbaby wurde 2020 verfilmt. Nach der Schliessung des Parks 1992 im Kampf gegen die offene Drogenszene wurde er 1993 wieder eröffnet.
Das Landesmuseum befindet sich im ehemaligen Pranginschloss, welches im 17. Jahrhundert als Sommersitz des Bankiers Samuel Morland errichtet wurde. Nach über 100 Jahren Planung wurde 2020 der moderne Erweiterungsbau eröffnet. Wer sich für die Geschichte des Schweizerischen Nationalmuseums in Zürich interessiert, wird hier fündig.
An der Spitze des Parks, wo Sihl und Limmat sich vereinen, verweist eine Hinweistafel darauf, dass dies der Lieblingsplatz von James Joyce während seiner Züricher Zeit war. Und dass Sihl und Limmat Eingang in «Finnegans Wake» gefunden haben.
Wir werfen noch einen Blick auf das Lettenwehr und folgen dann der Ausschilderung zum Kloster-Fahr-Weg über den Drahtschmidlisteg.
Das Schwimmbad «Oberer Letten»
Das Schwimmbad «Oberer Letten» ist ein gratis Flussschwimmbad mitten in der Stadt. Die Flussbadi, wie der Schweizer sagt, ist ein beliebter Treffpunkt. In einem von der Limmat abgetrennten Kanal für das Kraftwerk Letten wurde bereits 1896 eine Badeanstalt errichtet. In dieser sollten sich Arbeiter und Angestellte in der Nähe ihres Arbeitsplatzes erfrischen können. Bis heute ist der Kanal von 400 m Länge Schwimmbad. Ergänzt von Sonnendecks, einem Sprungturm, Beachvolleyball Feldern und einer Boule Anlage kann man es dort im Sommer aushalten. Alle Informationen zu Öffnungszeiten findest du hier.
Kraftwerk Letten
Folgt man dem Weg vorbei am Schwimmbad «Oberer Letten», kommt bald das Kraftwerk Letten ins Blickfeld. Es ist das älteste Kraftwerk in Zürich. Das Laufwasserkraftwerk wurde 1874 in Betrieb genommen und diente damals in erster Linie der Wasserversorgung der Stadt. Die gewonnene Energie wurde zum Betrieb der Pumpen verwendet. Diese Pumpen befördern das Wasser in Steigleitungen in verschieden hoch gelegene Reservoirs. Das Kraftwerk wurde im Laufe der Zeit mehrfach umgebaut und erweitert, dennoch konnten grosse Teile des ursprünglichen Gebäudes erhalten werden.
Der denkmalgeschützte Bahnhof Zürich Letten
Der Bahnhof Zürich Letten wurde 1894 in Betrieb genommen. Seit seiner Inbetriebnahme wurde der Bahnhof ausgebaut und später elektrifiziert. Trotzdem blieb das Personenaufkommen aber hinter den Erwartungen zurück. Nachdem die Bahnstrecke dann unterirdisch verlegt wurde, war der Bahnhof endgültig überflüssig und das Gleis wurde abgebaut.
Heute befindet sich im Bahnhofsgebäude die Redaktion eines uns bis dato unbekannten Magazins für Reisekultur namens Transhelvetica.
Im Anschluss an das Gebäude hat sich das Park-Platz Kafi etabliert. Bei schönem Wetter ist dies eine Möglichkeit, sich auf dem Kloster-Fahr-Weg in ungewöhnlichem Ambiente auszuruhen und zu stärken.
Lettenviadukt und Wipkinger Viadukt
Die Gleise, welche zum Bahnhof Zürich Letten führten, liefen über das Lettenviadukt auf die andere Seite der Limmat. Die Fachwerkbrücke wird heute als Fuss- und Fahrradweg genutzt. Von der Brücke hat man einen schönen Blick auf das Schwimmbad «Unterer Letten». Auch erkennt man viele alte Industriegebäude wie die Zigaretten-Fabrik und die Papierwaren-Fabrik rechts und links neben dem Lettenviadukt.
Das Schwimmbad «Unterer Letten» wurde 1909 erbaut und ist ebenfalls gratis. Im Juli findet alljährlich ein Open-Air-Kinofest statt. Und dienstags öffnet die Bar. Alle Informationen findest du hier.
Über das Wipkinger Viadukt fahren bis heute die Züge zwischen Hauptbahnhof und Oerlikon. Unter den Torbögen des Wipkinger Viadukts hatte sich schon früh das Gewerbe eingenistet.
2003 musste das Wipkinger Viadukt, welches 1894 erbaut wurde, saniert werden. Das Gewerbe musste ausziehen. Seit 2010 wurden unter dem Label «Im Viadukt» wieder Ladengeschäfte, Ateliers und Gastronomiebetriebe eröffnet. Dort, wo sich das Wipkinger-Viadukt und das Lettenviadukt trennen, eröffnete die Züricher Viadukt Markthalle. Die Geschäftsmeile «Im Viadukt» wird heute als die spannendste Einkaufsstrasse Zürichs vermarktet. Da wir an einem Sonntag unterwegs sind, ist davon allerdings wenig zu spüren.
Wir gehen nur ein Stück neben dem Wipkinger Viadukt entlang, nehmen dann eine Treppe nach unten und laufen an der Kornmühle zurück zur Limmat. Diese überqueren wir dann über den Dammsteg und folgen dem Kloster-Fahr-Weg weiter entlang der Limmat bis zum Kloster.
Vorbei an Feigenbäumen und Spielplätzen gelangt man bei einem erneuten Seitenwechsel der Limmat zu einem Ort weiterer Industriegeschichte von Zürich.
Gleisbogen
Aus dem ehemaligen Industriegleis Zürich West entstand der Freiraum «Gleisbogen». Auf 1.400 m zieht sich nun ein rotes Band zwischen den Schienen und markiert einen Rad- und Fussweg. Flankiert wird der Weg von 80 Ginkgobäumen. Der Gleisbogen dient der Vernetzung verschiedener Areale und schafft auch Naturraum für Tiere in der Stadt. Wir werfen nur einen kurzen Blick aufs rote Band und laufen dann weiter in Richtung Escher-Wyss Areal, welches heute eine bunte Durchmischung von Wohnen, Arbeiten und Erholung bietet.
Ein mittelalterlicher Wehrturm und die Brenoullihäuser
Läuft man immer weiter an der Limmat entlang, kommt man an einem mittelalterlichen Bauwerk vorbei. Der Hardturm war einst ein Wehr- und Wachturm, der bereits 1336 erstmals erwähnt wurde. Im 17. Jahrhundert wurde er zu einem barocken Landsitz umgebaut.
Und dann mittendrin zwischen der stark befahrenden Hardturmstrasse und der Limmat stehen kleine Reiheneinfamilienhäuser bilden einen Kontrast zur modernen Bebauung der Umgebung. Diese nach ihrem Architekten benannten Bernoullihäuser orientieren sich am Vorbild englischer Gartenstädte. Der Architekt erstellte in den 1920er Jahren auf eigene Rechnung 98 dieser Häuser und verkaufte sie dann einzeln. Die kleinen Gärten der Häuser sind heute meist liebevoll gepflegt. Nicht immer war Zürich West ein beliebtes Wohnviertel, aber heute werden die ehemaligen Arbeiterhäuschen meistbietend verkauft.
Die Werdinsel
Auf einer der vielen Brücken wechseln wir dann wieder einmal das Flussufer der Limmat und kehren auf den Kloster-Fahr-Weg zurück. So langsam lassen wir die Stadt Zürich und die alten Industrieareale hinter uns. Es wird fast ländlich.
Das nächste Highlight auf dem Kloster-Fahr-Weg ist für uns die Werdinsel. Spätestens beim Blick auf die Badi auf der Werdinsel wünschen wir uns endgültig Badesachen. Wie gern würden wir uns hier jetzt ein Stück im Wasser treiben lassen, statt zu laufen.
Hinter dem Höngger Wehr befindet sich heute die Werdinsel. Diese entstand künstlich, als man einen Kanal für das Höngger Kraftwerk baute, um die Wasserkraft zur Stromerzeugung zu nutzen. Heute ist die Werdinsel eine kleine Naturoase mit der Badi «Au-Höngg», die meist aber einfach Badi Werdinsel genannt wird. Hier kann man sich ebenfalls kostenlos in der Strömung treiben lassen. Der Kanal ist allerdings nur ungefähr 100 m schwimmbar, denn am Ende steht noch das alte Kraftwerk.
Auf der gegenüberliegenden Seite der Werdinsel kannst du dich bei entsprechendem Wasserstand der Limmat aber weiter treiben lassen. Statt im Wasser zu treiben, laufen wir bis zum alten Wasserkraftwerk, hinter dem eine weitere Brücke wieder auf den Kloster-Fahr-Weg führt.
Das Kloster Fahr
Nach der doppelten Zeit erreichen auch wir das Kloster Fahr am Ende des Kloster-Fahr-Wegs. Es hat Spass gemacht, sich rechts und links der Limmat treiben zu lassen und neue Ecken zu entdecken. Im Kloster Fahr leben bis heute Benediktinerinnen. Es gibt ein Restaurant und offensichtlich sind die Weine vom Kloster Fahr bei Kennern bekannt. Kurz werfen wir noch einen Blick in den Klostergarten bevor wir den Rückweg antreten, den wir mit ÖV abkürzen.