Zürich ist eine Stadt am Wasser. Hier pulsiert das Leben. Daher bummeln wir heute entlang der Limmat. Wir starten am Hauptbahnhof Zürich und folgen dem Kloster-Fahr-Weg, wobei wir immer wieder die Seiten der Limmat wechseln. Dabei entdecken wir Industriegeschichte, werfen einen Blick auf die berühmten Flussbäder und geniessen einfach das schöne Wetter und die Natur. Jetzt, wo die Badis wieder geöffnet sind, sollte man sein Schwimmzeug einpacken.
Je nachdem, ob ihr zu Fuss oder mit Rad unterwegs seid, braucht ihr für die Strecke zwischen dem Hauptbahnhof Zürich und dem Kloster Fahr unterschiedlich lang. Die Wegweiser geben als reine Laufzeit 2 Stunden 15 an. Um diese Zeitvorgabe einzuhalten, müsstet ihr aber streng laufen und habt keine Zeit rechts und links zu schauen. Wir haben die doppelte Zeit gebraucht. Es gibt so viel zu entdecken.
Industriegeschichte, Parks und Wasser
Platzspitz
Der Spaziergang beginnt im Park hinter dem Landesmuseum. Dieses Stück Land, welches sich zwischen den beiden Flüssen Limmat und Sihl befindet, die am Ende des Parks zusammenfliessen, hat eine lange Geschichte. Der Aufstieg von der einstigen Viehweide zum Schiessplatz und Platz für Schützenfeste (Knabenschiessen) und Jahrmärkte zur beliebten barocken Parkanlage dauerte bis in die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts. Dann erreichte der Platzspitz-Park traurige Bekanntheit weit über die Grenzen der Schweiz hinaus als «Needle-Park». Das Buch Platzspitzbaby wurde 2020 verfilmt. Nach der Schliessung des Parks 1992 im Kampf gegen die offene Drogenszene wurde er 1993 wieder eröffnet.


An der Spitze des Parks verweist eine Hinweistafel darauf, dass dies der Lieblingsplatz von James Joyce während seiner Züricher Zeit war. Und dass Sihl und Limmat Eingang in «Finnegans Wake» gefunden haben.
Wir werfen noch einen Blick auf das Lettenwehr und folgen dann der Ausschilderung zum Kloster-Fahr-Weg über die Brücke.

Der Weg entlang der Limmat ist bis zur Badeanstalt «Obere Letten» erst einmal als Massnahme gegen Corona gesperrt. Mit Wiedereröffnung der Schwimmbäder wird wohl auch der Weg nun wieder geöffnet sein. Ansonsten muss man kurz hoch zur Strasse gehen und kommt dann wenig später wieder zum Fluss. Von oben erhaschen wir dennoch einen Blick auf das bekannte Schwimmbad.
Schwimmbad «Obere Letten»

Das Schwimmbad «Obere Letten» ist ein Flussschwimmbad mitten in der Stadt. Die Flussbadi, wie der Schweizer sagt, ist ein beliebter Treffpunkt. In einem von der Limmat abgetrennten Kanal für das Kraftwerk Letten wurde bereits 1896 eine Badeanstalt errichtet. In diesem sollten sich Arbeiter und Angestellte in der Nähe ihres Arbeitsplatzes erfrischen können. Bis heute ist der Kanal von 400 m Länge Schwimmbad. Ergänzt von Sonnendecks, einem Sprungturm, Beachvolleyball Feldern und einer Boule Anlage kann man es dort im Sommer aushalten.


Kraftwerk Letten
Folgt man dem Weg vorbei am Schwimmbad «Obere Letten», kommt bald das Kraftwerk Letten ins Blickfeld. Es ist das älteste Kraftwerk in Zürich. Das Laufwasserkraftwerk wurde 1874 in Betrieb genommen und diente damals in erster Linie der Wasserversorgung der Stadt. Die gewonnene Energie wurde zum Betrieb der Pumpen verwendet. Diese Pumpen befördern das Wasser in Steigleitungen in verschieden hoch gelegene Reservoirs. Das Kraftwerk wurde im Laufe der Zeit mehrfach umgebaut und erweitert, dennoch konnten grosse Teile des ursprünglichen Gebäudes erhalten werden.

Der denkmalgeschützte Bahnhof Zürich Letten

Der Bahnhof Zürich Letten wurde 1894 in Betrieb genommen. Seit seiner Inbetriebnahme wurde der Bahnhof ausgebaut und später elektrifiziert. Trotzdem blieb das Personenaufkommen aber hinter den Erwartungen zurück. Nachdem die Bahnstrecke dann unteridisch verlegt wurde, war der Bahnhof endgültig überflüssig und das Gleis wurde abgebaut.
Heute befindet sich im Bahnhofsgebäude die Redaktion eines uns bis dato unbekannten Magazins für Reisekultur namens Transhelvetica. Eine Bildungslücke, die wir hoffentlich am nächsten Kiosk schliessen können.
Im Anschluss an das Gebäude hat sich das Park-Platz Kafi etabliert. Bei schönem Wetter ist dies eine Möglichkeit sich auf dem Kloster-Fahr-Weg in ungewöhnlichem Ambiente auszuruhen und zu stärken.

Lettenviadukt und Wipkinger Viadukt
Die Gleise, welche zum Bahnhof Zürich Letten führten, liefen über das Lettenviadukt auf die andere Seite der Limmat. Die Fachwerkbrücke wird heute als Fuss- und Fahrradweg genutzt. Von der Brücke hat man einen schönen Blick auf das Schwimmbad «Untere Letten». Auch erkennt man viele alte Industriegebäude wie die Zigaretten-Fabrik und die Papierwaren-Fabrik rechts und links neben dem Lettenviadukt.


Über das Wipkinger Viadukt fahren bis heute die Züge zwischen Hauptbahnhof und Oerlikon. Unter den Torbögen des Wipkinger Viadukts hatte sich schon früh das Gewerbe eingenistet.

2003 musste das Wipkinger Viadukt, welches 1894 erbaut wurde, saniert werden. Das Gewerbe musste ausziehen. Seit 2010 wurden unter dem Label «Im Viadukt» wieder Ladengeschäfte, Ateliers und Gastronomiebetriebe eröffnet. Dort, wo sich das Wipkinger-Viadukt und das Letten-Viadukt trennen, eröffnete eine Markthalle. Die Geschäftsmeile «Im Viadukt» wird heute als die spannendste Einkaufsstrasse Zürichs vermarktet. Da wir an einem Sonntag unterwegs sind, ist davon allerdings wenig zu spüren.


Wir gehen nur ein Stück neben dem Wipkinger Viadukt enlang, nehmen dann eine Treppe nach unten und laufen an der Kornmühle zurück zur Limmat und dem Kloster-Fahr-Weg.


Vorbei an Feigenbäumen und Spielplätzen gelangt man bei einem erneuten Seitenwechsel zu einem Ort weiterer Industriegeschichte.
Gleisbogen
Aus dem ehemaligen Industriegleis Zürich West entstand der Freiraum «Gleisbogen». Auf 1.400 m zieht sich nun ein rotes Band zwischen den Schienen und markiert einen Rad- und Fussweg. Flankiert wird der Weg von 80 Gingkobäumen. Der Gleisbogen dient der Vernetzung verschiedener Areale und schafft auch Naturraum für Tiere in der Stadt. Wir werfen nur einen kurzen Blick aufs rote Band und laufen dann weiter in Richtung Escher-Wyss Areal, welches heute eine bunte Durchmischung von Wohnen, Arbeiten und Erholung bietet.

Zurück in der Zeit
Immer an der Limmat entlang kommt man an einem mittelalterlichen Bauwerk vorbei. Der Hardturm war einst ein Wehr- und Wachturm, der bereits 1336 erstmals erwähnt wurde. Im 17. Jahrhundert wurde er zu einem barocken Landsitz umgebaut.

Kurze Zeit später ändert sich das Bild. Kleine Reiheneinfamilienhäuser bilden einen Kontrast zur modernen Bebauung der Umgebung. Diese nach ihrem Architekten benannten Bernoullihäuser orientieren sich am Vorbild englischer Gartenstädte. Der Architekt erstellte in den 1920er Jahren auf eigene Rechnung 98 dieser Häuser und verkaufte sie dann einzeln. Die kleinen Gärten der Häuser sind heute meist liebevoll gepflegt.

Auf einer der vielen Brücken wechseln wir dann wieder einmal das Flussufer der Limmat und kehren auf den Kloster-Fahr-Weg zurück. So langsam lassen wir die Stadt hinter uns.

Werdinsel
Spätestens beim Blick auf die Badi auf der Werdinsel wünschen wir uns endgültig Badesachen. Wie gern würden wir uns hier jetzt ein Stück im Wasser treiben lassen.

Auf der Insel laufen wir bis zum alten Wasserkraftwerk, hinter dem eine Brücke wieder auf den Kloster-Fahr-Weg führt.
Von einer Hängebrücke halten wir dann Ausschau, ob man das Kloster Fahr schon in der Ferne sieht. Aber leider dauert es noch eine ganze Weile, bis wir es endlich erreichen.

Das Kloster Fahr
Nach der doppelten Zeit erreichen auch wir endlich das Kloster Fahr am Ende des Kloster-Fahr-Wegs. Offensichtlich haben wir uns rechts und links der Limmat zu oft treiben lassen. Im Kloster Fahr leben Benediktinerinnen. Auch wenn das geöffnete Restaurant sehr verlockend für eine Pause ist, können wir doch nicht so lange verweilen. Wir werfen einen Blick in den Klostergarten und machen uns dann auf den Weg zur Bushaltestelle Unterengstringen, Langwisen. Von dort bringt uns ein Bus zum Bahnhof Schlieren, wo wir eine S-Bahn zurück zum Hauptbahnhof nehmen.
