Mount Stewart – im Garten von Circe
Auf der Ards Halbinsel östlich von Belfast wartet ein Gartenparadies darauf, entdeckt zu werden. Mount Stewart House and Gardens liegen klimatisch begünstigt am Strangford Lough. In diesem Beitrag erzähle ich dir nicht nur etwas über die Gartengestaltung, sondern auch über eine besondere Frau, deren Ideen im Garten verwirklicht wurden. Lady Edith Vane-Tempest-Stewart, Marchioness of Londonderry, war eine bemerkenswerte Frau, die ihrer Abstammung den Zugang zu einflussreichen Kreisen der britischen Aristokratie verdankte. Ihr Ehemann Charles erbte den Herrensitz Mount Stewart mit dem «Country-Haus» aus den 1780er Jahren, während er 1915 im I. Weltkrieg kämpfte. Seine Familie wurde durch Bergwerke sehr wohlhabend, sodass das Paar bei der Neugestaltung von Mount Stewart House and Gardens keine Kosten scheuen musste. Ab 1921 erkor Lady Edith Mount Stewart als ständigen Wohnsitz.
Lady Edith hat den Landsitz mithilfe eines Baumeisters, eines Gartenbauers und des Gärtners Thomas Bolas zu dem gemacht, was er heute ist. Aufbauend auf der vorhandenen Vegetation, wie beispielsweise Eukalyptusbäumen aus Tasmanien, entwickelte Lady Edith Pläne für verschiedene Gärten. Als erstes erstellte sie den italienischen Garten und den Senkgarten, die ich dir neben einigen anderen Gärten nachfolgend bei einem Gartenbummel näher vorstellen werden. Wie immer gilt, lass dich zu einem Ausflug nach Mount Stewart inspirieren und mache dir selbst ein Bild! Mount Stewart liegt nur 30 Minuten Fahrtzeit von Belfast entfernt. Von Dublin beträgt die Fahrtzeit etwa 2,5 Stunden.
Mount Stewart Gardens
Der italienische Garten
Die Konzeption des Gartens ist an den italienischen Stil angelehnt, wurde aber entsprechend der Gegebenheiten angepasst und neu interpretiert. Er befindet sich südlich vor dem Haus. Die Skulpturen, die zu einem italienischen Garten gehören, zeigen Lady Ediths Humor.
Im Zentrum der sogenannten Dodo-Terrasse steht eine Arche, flankiert von zwei Dodos. Die ausgestorbenen Vögel stehen für Lady Ediths Vater, Lord Chaplin, der 1895 wegen seiner überholten Ansichten von der Westminster Gazette als solcher verspottet wurde.
Die Arche dagegen ist eine Anspielung auf den Arche-Club, den Lady Edith während des I. Weltkrieg gründete. Seine Mitglieder waren Leistungsträger aus allen Lebensbereichen.
Der Arche-Club wandelte sich vom ursprünglich sicheren Hafen eines literarischen Zirkels nach und nach zu einer Art Geheimgesellschaft, die Menschen aus allen Lebensbereichen auf Einladung zusammenbrachte. Lady Edith selbst sah sich als Circe, die Zauberin aus Homers Odyssee. Circe war eine Göttin, die die Reisenden, die auf ihre Insel kamen, in Tiere verwandelte. Entsprechend der Spitznamen fanden die wichtigsten Mitglieder des Clubs als verwandelte Figuren Eingang in den Garten. Beispielsweise wurde Churchill als «Winnie der Hexer», Neville Chamberlain als «Neville der Teufel», ihr Ehemann Charles als «Cheetah der Gepard» und ihr Cousin Lord Alistair Sutherland-Leveson-Gower als «Ali der Alligator» dargestellt.
Neben den Skulpturen zeichnen den italienischen Garten von Mount Stewart auch formale Elemente aus. Ursprünglich als Rosengarten konzipiert, wurde er jedoch 1925 neu gestaltet, nachdem die Rosen wegen des Bodens nicht gut gediehen waren.
Die Bepflanzung des italienischen Gartens folgt allerdings bis heute der Farbgebung und den Grundzügen von Lady Edith. Es gibt zwei oder mehr Pflanzen pro Beet, die eine Matrix aus unterschiedlich hohen Pflanzungen bilden, wobei die Hauptpflanzen zu verschiedenen Zeiten blühen, um die Blütenabfolge zu verlängern. Es gibt einige ungewöhnliche Auswahlen und Kombinationen innerhalb der Beete, die ständig überarbeitet werden.
Der Mairi Garten
Der Mairi Garten von Mount Steward erinnert sowohl an Lady Ediths Gründung der Frauenlegion als auch an die Geburt ihres jüngsten Kindes, Lady Mairi, geboren 1921. Lady Mairi war es, die Mount Stewart dem National Trust übereignete, wobei sie bis zu ihrem Tod 2009 das Wohnrecht ausübte.
Lady Edith war eine Suffragette in einer Zeit, in der viele Männer die Vorstellung verspotteten, dass Frauen Fahrrad fahren oder gar eine Karriere anstreben. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs gründete Lady Edith die Frauenlegion, eine Freiwilligenorganisation, die Frauen in alle Arbeitsbereiche eingliederte, um die Kriegsanstrengungen zu unterstützen. Die Verbindung zu führenden Politikern im Arche-Club half, die notwendigen Veränderungen zu bewirken. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden Frauen in die Armee, in die Industrie und in die Landwirtschaft eingewiesen, da die schrecklichen Verluste unter den Soldaten ausgeglichen werden mussten.
Lady Edith gab der Frauenlegion das Emblem einer Tudor Rose und die Farben der Familie Stewart, blau und weiss. Die Margaret Wrightson Bronze von Lady Mairi wurde 1928 an Ort und Stelle gesetzt und erinnert an das Geschenk eines späten Kindes. Bei der Geburt ihres fünften Kindes war Lady Edith bereits 40 Jahre alt.
Konzipiert wurde der Mairi Garten als ein Garten für Kinder. Lady Edith belebte diesen Garten mit Fächertauben in vier kleinen Taubenhäusern und einem grösseren auf dem Gartenhaus, das von Ediths drittem Kind, Lady Margaret, entworfen und vom Baumeister Thomas Beattie 1923 gebaut wurde.
Der Senkgarten
Neben dem italienischen Garten befindet sich der Senkgarten von Mount Stewart an der Schmalseite des Hauses. Er wurde bis 1921 fertiggestellt und ist tiefer gelegt. Treppen führen in die quadratische Gartenanlage mit vier Beeten in den Ecken. An drei Seiten wird er von einer Pergola mit exotischen Kletterpflanzen umgeben. Ein Durchgang führt zum Kleeblattgarten. Die vier identischen Beete sind heute noch so, wie Lady Edith sie in einem ihrer neun überlieferten Gartennotizbüchern, 1922-55, aufgezeichnet hat. Die Farbgebung ist überwiegend blau und orange, wobei ein wenig rot und gelb eingearbeitet ist.
Ein Schlüssel zum Verständnis der Pflanzenauswahl von Lady Edith ist ihre Liebe zum Duft. Duftpflanzen gab sie stets den Vorrang. Sie versuchte mit den Farben in den östlich gelegenen Gärten den Sonnenaufgang mit Farben von scharlachrot über orange bis blau und silber abzubilden. In den westlich gelegenen Gärten versucht sie den Sonnenuntergang mit Farbschattierungen von dunkelrot, violett, hellrosa und gelb nachzustellen.
Der Shamrock Garden (Kleeblattgarten)
Shamrock ist das symbolische dreiblättrige Kleeblatt, welches durch St. Patrick eng mit der irischen Kultur verbunden ist. Er soll der Legende nach ein solches Kleeblatt benutzt haben, um den heidnischen Iren die heilige Dreifaltigkeit zu erklären.
Insofern ist es nicht verwunderlich, dass Lady Edith im Kleeblattgarten von Mount Stewart viele komplexe Anspielungen auf die irische Mythologie und Folklore umgesetzt hat. So erinnert die rote Hand von Ulster an die MacDonnell-Legende der beiden Brüder, die in ihren langen Schiffen vom Mull von Kintyre bis zur Küste von Antrim ein Rennen veranstalteten. Wer mit der Hand zuerst den Strand berührte, sollte König von ganz Irland sein. Als der jüngere Bruder sah, dass er das Rennen verlieren würde, schnitt er sich die linke Hand ab, warf sie an den Strand und gewann so das Rennen doch noch.
Die Legende der roten Hand von Ulster hat insofern einen Bezug zur Familie, als eine Vorfahrin von Lady Ediths Ehemann Charles eine Nachfahrin des letzten Königs von Ulster war.
Die Formschnitthecke, welche den Kleeblattgarten umgibt, besass früher 24 Figuren und war höher. Auch sie erzählt eine Geschichte.
Weitere Gärten
Neben den hier kurz beschriebenen Gärten gibt es unzählige weitere thematische Gärten, wie beispielsweise den spanischen Garten oder den Peace Garden, in dem die Haustiere von Mount Stewart ihre letzte Ruhestätte fanden.
Besonders gut hat uns die weitläufige Parkanlage mit dem alten Baumbestand sowie der künstlich angelegte See gefallen. Man kann hier problemlos einen ganzen Tag verbringen.
Mount Stewart House ist ebenfalls zu besichtigen. Allerdings fällt die Besichtigung bei unserem Besuch anders aus, weil ein Teil der Räumlichkeiten für eine Hochzeitsgesellschaft vorbereitet werden. Dies haben wir bereits im Senkgarten festgestellt, der für den Sektempfang vorbereitet wurde.
Die Geschichte des Hauses, ihrer Besitzer sowie die Einrichtungsgegenstände und Gemälde sind interessant. Nach der Besichtigung von Mount Stewart House stärken wir uns im Tearoom. Anschliessend wandern wir weiter durch das weitläufige Gelände. Vom Versteck der Eichhörnchen geht es weiter zum Aussichtspunkt. Der Hang für Insekten, der mit einer Blumenmischung bewachsen ist, hält uns lange auf, denn vom unteren Ende konnte man auf gemähten Wegen durch die Blumenpracht laufen.
Hinweis: Alle wichtigen Informationen zum Besuch von Mount Stewart Gardens and House findest du auf der Website des National Trust. Willst du weitere Sehenswürdigkeiten am Strangford Lough besuchen und bist kein Mitglied beim National Trust, frage nach vergünstigten Kombitickets.