Bei strahlendem Sonnenschein kehren wir Belfast für ein paar Stunden den Rücken und fahren zum Familiensitz der Marquessen von Londonderry nach Mount Stewart. Als Gartenliebhaberin hatte ich im Vorfeld der Reise schon einiges über Lady Edith, die 1921 Mount Stewart zu ihrem Zuhause erkor, gelesen. Ihr Mann Charles hatte Mount Stewart geerbt, während er 1915 in Frankreich kämpfte. Seine Familie besass Bergwerke. Da die Regierung im ersten Weltkrieg Prämien für Kohle zahlt, war Geld kein Thema.
Lady Edith hat den Landsitz mit Hilfe eines Baumeisters, eines Gartenbauers und des Obstgärtners Thomas Bolas zu dem gemacht, was er heute ist. Es wurden keine Kosten gescheut.
Thomas Bolas verstand das Mikroklima am Strangford Lough, wo es kaum starke Fröste, aber viel Sonne und geringe Niederschläge gibt. Aufbauend auf der vorhandenen Vegetation, wie beispielsweise Eukalyptusbäumen aus Tasmanien entwickelte Lady Edith Pläne für verschiedene Gärten. Als erstes erstellt sie den italienischen Garten und den Senkgarten.
Der italienische Garten
Die Konzeption des Gartens ist im italienischen Stil. Der Garten enthält aber eine reiche Auswahl an persönlichen Erinnerungen und Allegorien. So repräsentieren die Dodos Lady Ediths Vater, Lord Chaplin, der 1895 von der Westminster Gazette als solcher verspottet wurde. Im Zentrum der Dodo-Terrasse steht die Arche, eine Anspielung auf den Ark Club. Diesen Club gründete Lady Edith während des ersten Weltkrieges. Seine Mitglieder waren Leistungsträger aus allen Lebensbereichen.


Vom ursprünglich sicheren Hafen mit Unterhaltung während des Krieges verwandelten sich die Treffen nach und nach zu einer Art Geheimgesellschaft, die Menschen aus allen Lebensbereichen auf Einladung zusammenbrachte. Lady Edith selbst sah sich als Circe, die Zauberin aus Homers Odyssee, einer Göttin, die Reisende, die auf ihre Insel kamen, in Tiere verwandelte. Entsprechend der Spitznamen wurden die wichtigsten Mitglieder des Clubs als verwandelte Figuren im Garten aufgestellt. Zum Beispiel wurde Churchill als «Winnie der Hexer», Neville Chamberlain als «Neville der Teufel», ihr Ehemann Charles als «Cheetah der Gepard» und Lord Alistair Sutherland-Leveson-Gower als «Ali der Alligator» dargestellt.


Ursprünglich war der italienische Garten als Rosengarten konzipiert, wurde aber 1925, nachdem die Rosen wegen des Bodens nicht gut gediehen, neu gestaltet.


Die Bepflanzung im Italienischen Garten folgt bis heute der Farbgebung und den Grundzügen von Lady Edith. Es gibt zwei oder mehr Pflanzen pro Beet, die eine Matrix aus unterschiedlich hohen Pflanzungen bilden, wobei die Hauptpflanzen zu verschiedenen Zeiten blühen, um die Blütenabfolge zu verlängern. Es gibt einige ungewöhnliche Auswahlen und Kombinationen innerhalb der Beete, die ständig überarbeitet werden.
Der Mairi-Garten
Der Mairi-Garten erinnert an Lady Ediths Gründung der Frauenlegion und die Geburt ihres jüngsten Kindes, Lady Mairi, geboren 1921. Lady Edith war eine Suffragette in einer Zeit, in der viele Männer die Vorstellung verspotteten, dass Frauen Fahrrad fahren oder gar eine Karriere anstreben. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs gründete Lady Edith die Frauenlegion, eine Freiwilligenorganisation, die Frauen in alle Arbeitsbereiche eingliederte, um die Kriegsanstrengungen zu unterstützen. Die Verbindung mit dem Ark Club half, die notwendigen Veränderungen zu bewirken. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden Frauen in die Armee, in die Industrie und in die Landwirtschaft eingewiesen, da die schrecklichen Verluste unter den Soldaten ausgeglichen werden mussten.
Lady Londonderry gab der Frauenlegion das Emblem einer Tudor Rose und die Farben der Familie Stewart, blau und weiß. Die Margaret Wrightson Bronze wurde 1928 an Ort und Stelle gesetzt und erinnert an das Geschenk eines späten Kindes, Lady Mairi.

Konzipiert wurde der Mairi-Garten als ein Garten für Kinder. Lady Edith belebte diesen Garten mit Fächertauben in vier kleinen Taubenhäusern und einem größeren auf dem Gartenhaus, das von Ediths Tochter Lady Margaret entworfen und vom Baumeister Thomas Beattie 1923 gebaut wurde.

Der Senkgarten
Der Senkgarten wurde bis 1921 fertiggestellt. Der Senkgarten ist eine quadratische Gartenanlage mit vier Beeten in den Ecken. An drei Seiten wird er von einer Pergola mit exotischen Kletterpflanzen umgeben. Ein Durchgang führt zum Kleeblattgarten. Die vier identischen Beete sind heute noch so, wie Lady Edith sie in einem ihrer neun überlieferten Gartennotizbüchern, 1922-55, aufgezeichnet hat. Die Farbgebung ist überwiegend blau und orange, wobei ein wenig rot und gelb eingearbeitet ist.


Ein Schlüssel zum Verständnis des Pflanzstils und der Pflanzenauswahl von Lady Londonderry ist ihre Liebe zum Duft. Duftpflanzen gab sie stets den Vorrang. Sie versuchte mit den Farben in den östlich gelegenen Gärten den Sonnenaufgang mit Farben von scharlachrot über orange bis blau und silber und in den westlich gelegenen Gärten den Sonnenuntergang mit Farben von dunkelrot, violett Schattierungen, hellrosa und gelb abzubilden.
Der Kleeblattgarten
Im Kleeblattgarten werden viele komplexe Anspielungen auf die irische Mythologie und Folklore mit Pflanzen umgesetzt. Beispielsweise erinnert die Rote Hand von Ulster an die MacDonnell-Legende der beiden Brüder, die in ihren langen Schiffen vom Mull von Kintyre bis zur Küste von Antrim ein Rennen veranstalteten. Wer mit der Hand zuerst den Strand berührte, sollte König von ganz Irland sein. Als der jüngere Bruder sah, dass er das Rennen verlieren würde, schnitt er sich die linke Hand ab, warf sie an den Strand und gewann so das Rennen doch noch.
Diese Legende hat insofern einen Bezug zur Familie als eine Vorfahrin von Charles, dem Ehemann von Lady Edith, eine Nachkommin des letzten Königs von Ulster war. Die Formschnitthecke, welche den Kleeblattgarten umgibt, besass früher 24 Figuren und war höher. Auch sie erzählt eine Geschichte.


Neben den hier kurz beschriebenen Gärten gibt es unzählige weitere Gärten, wie beispielsweise den spanischen Garten oder den Gedenkgarten, in dem ihre Haustiere eine letzte Ruhestätte gefunden haben.

Besonders gut hat mir die weitläufige Parkanlage mit altem Baumbestand und der künstlich angelegte See gefallen. Man kann hier problemlos einen ganzen Tag verbringen.



Im italienischen Garten komme ich mit der Chefgärtnerin kurz ins Gespräch. Leider muss ich das Gespräch beenden, weil unsere Zeit für die Schlossbesichtigung herangekommen ist. Die Besichtigung fällt heute anders aus, weil ein Teil der Räumlichkeiten für eine Hochzeitsgesellschaft vorbereitet werden. Dies haben wir bereits im Senkgarten festgestellt, der für den Sektempfang vorbereitet wurde.
Die Geschichte des Hauses, ihrer Besitzer und teilweise der Einrichtungsgegenstände und Gemälde sind interessant.
Nach einer kurzen Stärkung wandern wir weiter durch den Park zum See, zum Versteck der Eichhörnchen und zum Aussichtspunkt. Ein besonderes Highlight ist ein Hang für Insekten, der mit einer Mischung aus Klatschmohn, Kornblumen, Gräsern etc. bewachsen ist. Vom unteren Ende konnte man auf einem durch die Blumen gemähten Weg entlanglaufen.
