Museum Rietberg
Hand aufs Herz – wie lange ist euer letzter Museumsbesuch her? Mir ist schon klar, dass die Museen noch geschlossen sind, während ich dies schreibe. Aber Verbote machen einen auch darauf aufmerksam, was man verpasst. Und vielleicht habt auch ihr euch während des Lockdowns vorgenommen, wieder mehr die kulturellen Angebote eurer Stadt zu nutzen. Zumindest in der Schweiz ist angedacht, dass Museen ab 1. März wieder öffnen dürfen. Ein Grund mehr, mal wieder ins Museum zu gehen. Deshalb stelle ich euch heute das Museum Rietberg, vom schönen Rieterpark umgeben, vor. Das 1952 eröffnete Museum Rietberg präsentiert Kunstwerke aus Asien, Afrika und der Südsee, indem es einen Kontext schafft.
Ein Museum und ein Park
Nur vier Tram Haltestellen vom Hauptbahnhof entfernt, befindet ihr euch in einer Gegend mit vielen alten Villen und grosszügigen Parklandschaften. Auch das Museum Rietberg befindet sich in einer Parkanlage, dem Rieterpark. Der Park kann übrigens auch ohne Museumsbesuch frei genossen werden.
Die Geschichte des Rieterparks hängt eng mit zwei Industriellen zusammen. Der deutsche Kaufmann Wesendonck erwirbt 1853 das Land und beauftragt Leonhard Zeugheer (Architekt) und Theodor Froebel (Landschaftsarchitekt) mit der Gestaltung einer herrschaftlichen Villa mit Park. Aber er verlässt 1871 die Schweiz wieder aus Ärger über aufkommende Deutschfeindlichkeit und verkauft das Anwesen an die Familie Rieter aus Winterthur.
Der Sohn des Baumwollindustriellen, der den Besitz 1882 erbt, veranlasst zusätzlich zur Villa Wesendonck den Bau zweier weiterer Villen (Parkvilla und Villa Schönberg) – eine für die Mutter und eine für die Schwiegermutter. 1945 entscheidet das Volk über den Ankauf des Rieterparks mit zwei Villen. Die Villa Schönberg bleibt im Familienbesitz. So kommt es, dass der 68.000 m2 grosse Rieterpark für die Öffentlichkeit zugänglich wird.
Der Rieterpark besticht durch einen schönen alten Baumbestand, der allerdings erheblich unter Sturm Lothar gelitten hat.
Daneben geniesst man vom Park Ausblicke auf den Zürichsee und den Uetliberg. Bei schönem Wetter soll man bis zu den Glarner Alpen schauen können. Aber wer geht schon bei schönem Wetter ins Museum?
Auch im Park kann man Kunstwerke entdecken. Wer Ruhe sucht und abschalten möchte, wird diesen Park lieben.
Sonderausstellungen im Museum Rietberg
Neben der wunderschönen Parkanlage sind es vor allem die Sonderausstellungen des Museum Rietberg, die einen immer wieder ins Museum ziehen. Wir waren noch vor Schliessung der Museen im Dezember in der Ausstellung «Sehnsucht Natur – Sprechende Landschaften in der Kunst Chinas». Diese Ausstellung hat uns in ihren Bann gezogen und nicht so schnell wieder losgelassen.
Landschaftsmalerei bedeutet im Chinesischen die Malerei von Bergen und Gewässern, den beiden elementaren, sich gegenseitig bedingenden Urkräften Yin und Yang. Der Berg steht für Erhabenheit und Standfestigkeit. Berge schaffen gleichzeitig die Verbindung zwischen Himmel und Erde und gelten somit wie in vielen alten Kulturen als heilige Orte. Das weiche, fliessende Wasser steht für das Ideal der Harmonie und damit wohl eher für das anpassungsfähige weibliche Prinzip.
Überhaupt wird eine idealisierte Welt gemalt, in der die Natur als Ort der Selbstfindung und Quelle der Inspiration dient. Die Natur ist Rückzugsort sowohl für den moralisch überlegenen, bescheidenen und unabhängigen Einsiedler wie auch für Künstler unter wechselnden Machtverhältnissen.
Einige der chinesischen Landschaftsbilder sind mit Schriftzeichen überdeckt. Es handelt sich dabei häufig um Gedichtaufschriften, die das Seherlebnis erweitern. Das Bild wird so zur Projektionsfläche für die Fantasie, die zusätzlich durch die Sprache angeregt wird. Wobei diese Aufschriften häufig nicht vom Maler stammen, sondern von Freunden, Kunstkennern oder Besitzern des Bildes.
Sehnsucht Natur – ein Thema für einen Reiseblog?
Das Unterwegssein (Reisen) und die Darstellung berühmter Berge und bekannter Sehenswürdigkeiten ist ebenso ein Anliegen der chinesischen Landschaftsmalerei wie das Anliegen eines Reiseblogs. Die Ausstellung verweist dazu auf ein Traktat zur Landschaftsmalerei aus dem 5. Jhd., indem von imaginären Reisen, um die Natur zu erleben, gesprochen wird.
Bereits im 16. Jhd. entstand in der chinesischen Oberschicht ein Erlebnistourismus als Teil des vornehmen Lebensstils. Insofern hat die Malerei die Funktion innegehabt, die heute der Fotografie zuteil wird. Die Bilder halten Reiseeindrücke fest. Allerdings entstanden die meisten Bilder erst später im Atelier aus der idealisierten Erinnerung heraus. Es war nicht Ziel, die Realität abzubilden, sondern die Fantasie des Malers zur Schau zu stellen.
Schauen wir uns heute in einer von Bildern gefluteten Welt Landschaftsfotos an, erkennen wir auch, dass es um eine idealisierte Abbildung der Landschaft geht. Jeder Fotograf bemüht sich mit Licht oder Perspektive aus der Masse der Bilder herauszustechen. Insofern scheint sich im Laufe von Hunderten von Jahren nur das Medium, aber nicht die Intention geändert zu haben.
Die Ausstellung kann ferner mit Fotografien und einer sehr spannenden Video-Installation aufwarten. Es gibt noch einen weiteren Grund, warum ich über diese leider im Januar beendete Sonderausstellung berichte.
Tipp: Aufgrund des Lockdowns wurde ein Teil der Ausstellung «Sehnsucht Natur – Sprechende Landschaften in der Kunst Chinas» im Internet erlebbar gemacht. Insofern ermöglich euch die Technik auf Reisen in Raum und Zeit zu gehen. Scrollt auf der Website nach unten und lasst euch vom ehemaligen Direktor des Museums mitnehmen, wenn er eine 13 m lange Bildrolle langsam entrollt und die Geschichte des Bildes lebendig werden lässt. Schaut euch die Videoserie zur Einstimmung an. Lasst euch von gestalterischen Techniken zu eigener Kreativität inspirieren und überlegt euch, welches euer Lieblingsort in der Natur wäre. Verändert sich eure Wahrnehmung?
Gut zu wissen
Das Museum Rietberg ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen. Die Tram Nr. 7 in Richtung Wollishofen hat eigens eine Haltestelle «Museum Rietberg». Alternativ kann man mit der S-Bahn bis zum Bahnhof Enge fahren und dann in einem zehn-minütigen Fussweg das Museum erreichen. Parkplätze gibt es jedoch keine in der Nähe.
Das Museum ist montags geschlossen. Normalerweise ist es an den übrigen Tagen von 10.00 bis 17.00 Uhr geöffnet. Mittwochs ist es sogar bis 20.00 Uhr geöffnet.
Informationen zu Führungen, Spezialevents und den aktuellen Sonderausstellungen findet ihr im Internet Kalender.
Tipp: Im ehemaligen Treibhaus der Villa Wesendonck bietet das Café eine täglich wechselnde Auswahl an kleinen Gerichten an, die manchmal auch von den Ausstellungen inspiriert sind. Im Sommer können drei verschiedene Picknickkörbe (auf der Seite ganz nach unten scrollen) bestellt werden, die mitsamt Decken mit in den Park genommen werden dürfen.
Zur Kunst Asiens gehören ebenfalls die Bonsai Bäume. Im Bonsai-Atelier-Rieterpark spielen die Miniatur-Bäume die Hauptrolle.