Unterwegs nach Ras al Jinz
Das Frühstücksbuffet mit süssen und scharfen Nudeln, Fladenbrot und etwas, was aussieht wie die Reste unseres gestrigen Abendessens, lässt uns einigermassen hungrig in den Tag starten. Dennoch sind wir sehr gespannt, denn heute steht mit der Eiablage der Meeresschildkröten in Ras al Jinz ein Highlight unserer Reise auf dem Programm.
Leichten Herzens verlassen wir das Saqla Resort und fahren ohne Umwege die ca. 135 km nach Ras al Jinz. Die Strasse führt uns bald durch eine Art trockenen Salzsee.

Da kaum Verkehr auf der Strasse ist, können wir anhalten und uns den Salzsee etwas genauer anschauen. Ein wenig fühlen wir uns in die Atacama Wüste nach Chile versetzt. Die Ausmasse des Salzsees sind deutlich grösser als es von Ferne aussieht.


In Al Ashkharah, einem etwas grösseren Ort, suchen wir anschliessend vergeblich eine Bäckerei. Dafür finden wir den Hafen. Neben den Dhaus gibt es überdies viele Vögel zu beobachten. Auch eine Art Café mit Blick auf den Hafen fällt uns auf. Da es jedoch ausschliesslich von Männern bevölkert wird und dieser Ort keinen modernen Eindruck vermittelt, verzichten wir auf einen Besuch.


Deshalb suchen wir lieber im Supermarkt nach Zutaten für ein Picknick. Als erstes probieren wir es in einem kleinen Laden mit vollgestellten Gängen. Ausser Saft finden wir hier aber nichts, was uns anlachen würden. Insofern sind wir sehr erfreut, als wir am Ortsausgang einen grossen Supermarkt sehen. Heute zum Samstag ist hier richtig etwas los. Wir drei hungrigen Frauen gehen auf die Suche nach etwas Essbaren, während Jörg bei unseren Sachen am Parkplatz bleibt.
Ganze Familien kaufen hier ein. Die Frauen sind von Kopf bis Fuss verhüllt, aber immer, wenn sie etwas genauer lesen wollen, heben sie dann doch den Gazeschleier an. Gekauft werden vor allem Grosspackungen tiefgefrorener Produkte. Auch Reis, Linsen und Kichererbsen werden sackweise gekauft.
Neben Obst und Nüssen finden wir auch ein paar vermeintliche Pain aux chocolat. Die Schokolade entpuppt sich später leider als Dattelmus. Eine Kühltruhe mit einer grosse Auswahl an Eiscreme zieht uns magisch an. Mit unseren Einkäufen reihen wir uns wie alle anderen an der Kassenschlange ein und werden für ca. vier- bis sechs-jährige Kinder zur Attraktion.
Offensichtlich kommen hier nicht viele europäische Touristen vorbei. Ob sie uns für Geister halten oder sich nur überzeugen wollen, dass wir wirklich echt sind, sie tippen mit einem Finger unsere Arme an. Anschliessend laufen sie kichernd weg. Dem englisch sprechenden Kassierer an der Nebenkasse, der dies mitbekommt, ist dies sehr unangenehm, insofern blockiert er den nächsten Kunden und winkt uns einfach vor.
Das Eis geniessen wir gleich noch auf dem Parkplatz. Für den Rest suchen wir uns einen Picknickplatz mit Blick aufs Meer. Leider ist der Strand total mit Plastikabfall vermüllt. Insofern verweilen wir nicht lange.

Gesättigt geht es durch die immer wieder überraschend verschieden aussehende Wüstenlandschaft weiter. Mancher kleine Ort scheint vom Sand fast verschlungen zu werden.




Ein kurzer Ausflug nach Ras al-Hadd
Recht früh erreichen wir unser Hotel, das Ras Al Jinz Turtle Reserve. Wir wohnen im Gebäude, welches aussieht als hätte es Kiemen.

In einem Nebental gibt es auch Safarizelte, welche zum Hotelkomplex gehören. Allerdings waren die schon ausgebucht, was sich im Nachhinein aber als vorteilhaft erweist. Wer in den Safarizelten wohnt, ist auf einen Golfwagentransport angewiesen. Das Nebental darf nicht befahren werden. Gleichwohl befinden sich Parkplatz, Rezeption, Restaurant, Museum und Startpunkt für die Nacht- und Morgenwanderungen zu den Schildkröten im Hotel.
Die Zimmer besitzen überraschend je zwei Doppelstockbetten. Das macht es nicht unbedingt gemütlich, aber für eine kurze Nacht ist dies absolut ausreichend.
Bis die Formalitäten erledigt sind, dauert es eine Weile. Immerhin stehen Erfrischungen in Form von Tee, Kaffee und Datteln bereit. Inzwischen überlegen wir uns, was wir mit dem angebrochenen Tag noch machen könnten. Zum Strand von Ras al Jinz zu wandern, um schwimmen zu gehen, lohnt sich nicht mehr, denn die Strände werden ab 16.00 Uhr gesperrt. Für einen Besuch der Stadt Sur ist es auch schon zu spät, denn wir müssen pünktlich 19.00 Uhr beim Abendessen sein. So beschliessen wir in den nahe gelegenen Ort Ras al Hadd zu fahren. Laut Reiseführer ist der Ort für seine trockenen Sardinen bekannt.
Ras al-Hadd wird durch die Strasse in zwei Teile geschnitten. Uns zieht das renovierte Castle an, welches leider geschlossen ist. Vis-à-vis steht eine grosse moderne Moschee. Auf der Suche nach dem Eingang des Castles laufen wir einmal um die Mauern des Castles herum. Die alten Häuser, welche direkt gegenüber dem Eingang stehen, verfallen vor sich hin.



Während wir uns noch das Panorama des gegenüberliegenden Stadtteils anschauen, kommen die Ziegenherden nach Hause. Sie wissen genau, in welchem Hauseingang sie wohnen. Die Türen sind geöffnet, so können sie allein nach Hause gehen.


Schliesslich laufen wir langsam zum Auto zurück. Da beginnen die Muezzins die Gläubigen zum Gebet zu rufen. Eigentlich wird ja der immer gleiche Text intoniert, haben wir uns sagen lassen. Nur hier in Ras al-Hadd klingt es sehr schräg, da die Muezzins zeitlich versetzt mit ihrem Gesang beginnen. Allein 5 Moscheen befinden sich in Sichtweite.
Daher flüchten wir ins Auto und machen uns auf die Suche nach den trocknenden Sardinen. Ras al-Hadd liegt an einer geschützten Meeresbucht. Statt Sardinen, für welche der Ort bekannt ist, finden wir aber nur komplett mit Netzen verhüllte Hütten. Es riecht auch nicht nach Fisch. Wahrscheinlich sind wir zur falschen Jahreszeit hier. Die Sardinen werden übrigens als Viehfutter im Oman verwendet.

Der Rückweg zur Hauptstrasse führt uns durch ein älteres Wohnviertel. Hier werden wir winkend gegrüsst. Uns fallen die unglaublich schönen Holztüren und Tore auf.

Wissenswertes zu den Meeresschildkröten
Wieder zurück im Hotel, haben wir noch genügend Zeit für einen Museumsbesuch. Jeder bekommt ein Abspielgerät in die Hand, aus welchem uns eine Sprecherin im besten bayrischen Dialekt durch die Ausstellung begleitet und uns alles Wissenswerte über die Schildkröten erzählt. Eigentlich hatten wir keine grossen Erwartungen an ein Museum in einem Hotel und sind deshalb positiv überrasch, wie informativ die Ausstellung ist.
Unterschied im Speiseplan der Schildkröten
Als erstes lernen wir in kleinen Videos die Unterschiede zwischen den einzelnen Meeresschildkröten kennen. Vorgestellt werden die grüne Meeresschildkröte, die echte Karettschildkröte, die unechte Karettschildkröte, die Lederschildkröte und die olive Bastardschildkröte. Frisst die grüne Meeresschildkröte nur Seetang und Seegras, so frisst die echte Karettschildkröte Korallen, Schwämme, Manteltiere und Pflanzen. Die unechte Karettschildkröte hat zusätzlich noch Schalentiere, Seeigel, Seegurken und Fische auf dem Speiseplan. Dagegen ist der Speiseplan der Lederschildkröte mit Quallen sehr einseitig. Auch die olive Bastardschildkröte ernährt sich einseitig nur von Schalentieren.
Schildkröten weinen
Wusstet ihr das Meeresschildkröten weinen? Meeresschildkröten haben spezialisierte Salzdrüsen, um das überschüssige Salz, dass sie mit dem Meerwasser aufnehmen, abzubauen. Sie tun dies in Form von «Tränen» und halten so die Salzkonzentration in ihrem Körper ausgeglichen.
Eiablage
Die unterschiedlichen Arten von Meeresschildkröten legen ihre Eier in unterschiedlichen Monaten. Mit dieser gestaffelten Eiablage nutzen sie räumlich begrenzte Nistmöglichkeiten so effizient wie möglich. Dennoch kann es passieren, dass eine Schildkröte bei der Anlage ihres eigenen Nestes oder des Täuschungsnestes für Feinde, das Gelege einer anderen Schildkröte ausgräbt.
Im Schnitt legen Schildkröten drei bis sieben Mal im Rhythmus von 14 Tagen Eier, bevor sie sich dann drei Jahre von den Kraftanstrengungen erholen. Es sind nur wenige Tiere, die das Erwachsenenalter erreichen und für die Reproduktion sorgen können. Im Alter von 30 bis 50 Jahren erreichen sie ihre Geschlechtsreife. Ihre natürliche Lebenserwartung beträgt 100 Jahre.
Schildkröten fliegen
Die Wissenschaftler bezeichnen die Fortbewegung der Schildkröten im Wasser als «Unterwasserflug». Die vorderen Paddel sind die «Flügel», die hinteren Paddel werden zur Steuerung genutzt. So kann sich die Schildkröte mit 35 Km/h fortbewegen und bis zu 1.000 Meter tief tauchen.
Schutz der Schildkröten
In der Ausstellung hat auch der Schutz der Schildkröten seinen Raum. Die grünen Meeresschildkröten heissen auch Suppenschildkröten. Ich erinnere mich noch an Einkaufstüten in den 90er Jahren mit dem Aufdruck «Schildkröten gehören nicht in die Suppe». Hoffentlich sind die ausgestellten Dosen unverkäufliche Restbestände.

Neben der Jagd ist auch die Ausbreitung der Zivilisation ein Problem. Die Verschmutzung der Meere durch Plastik, die Verringerung der Nistmöglichkeiten und nicht zuletzt die Lichtverschmutzung stellen ein grosses Problem für Schildkröten dar. Denn die kleinen Schildkröten machen sich nachts auf den Weg zum Meer. Dabei bewegen sie sich auf die hellste Lichtquelle zu. Früher war dies das Meer, in dem sich Mond und Sterne spiegelten. In unserer heutigen Zivilisation kann das ziemlich daneben gehen.
Die Schildkröte in Mythologie und Kunst
Auch die Bedeutung der Schildkröte in der Mythologie und Kunst kommt in der Ausstellung nicht zu kurz. Die Schildkröte steht in vielen Kulturen für Weisheit und ein langes Leben. Einige Völker glauben auch, dass unsere Erde auf dem Rücken einer Schildkröte ruht. Auch illustrierte Sagen zeigen die Präsenz der Schildkröte im Alltagsleben der Menschen. Eine Sammlung von Geldscheinen mit Schildkröten deutet ebenfalls auf die tiefe Verwurzelung der Schildkröte mit den Menschen hin.


Glück im Unglück
Das eigentliche Highlight der Ausstellung ist aber die Baby Schildkröte im Terrarium. Ranger haben sie am Morgen am Strand von Ras al Jinz gefunden und haben ihr damit ein zweites Leben geschenkt. Offensichtlich hat sie sich verlaufen und das Meer nicht gefunden. Nun verbringt sie den Tag bis zur Dunkelheit im Terrarium und wird im Schutz der Dunkelheit am Meer ausgesetzt. Sie paddelt jetzt schon wie eine Verrückte. Hoffentlich hat sie später noch Kraft.
Die Mädchen taufen sie auf den Namen Athena – der Göttin des Kampfes und der Weisheit.

Nächtliche Beobachtung der Meeresschildkröten bei der Eiablage
Um 19.00 Uhr strömen alle Gäste des Hotels zum Buffet. Um 20.30 Uhr treffen sich dann alle an der Rezeption für die abendliche Exkursion zum Strand. Auch Leute von anderen Unterkünften finden sich ein. Eine Viertelstunde später geht es dann endlich los. Wir werden in vier Gruppen aufgeteilt und jede Gruppe läuft mit dem Guide zu einem anderen Strandabschnitt. Zuvor erhalten wir jede Menge Verhaltensinstruktionen.
Vor dem Strand müssen wir noch auf das Ok der Ranger warten, die die Situation unten am Strand beobachten. Da es sich ohne Schuhe im feinen Sand besser läuft, ziehen alle noch die Schuhe aus. Von jetzt an ist das einzige Licht die kleine Taschenlampe unseres Guides.
Schildkröten fühlen sich durch Licht gestört, solange sie nicht bei der Eiablage sind. Eine gestörte Schildkröte geht zurück ins Meer. Sie hat maximal drei Tage Zeit ihre Eier im Sand zu vergraben, ansonsten legt sie diese im Meer ab. Die Ranger verwenden Rotlicht.
Endlich kommt das Ok. Nun wandern wir zum Strand auf die rote Lichtquelle zu und versuchen nicht in die riesigen Löcher zu fallen, die überall gegraben sind. Um Frassfeinde zu täuschen, graben Schildkröten erst falsche Nester. Die an Land so schwerfälligen Tiere mit einem Gewicht bis zu 250 kg graben fast einen Meter tiefe Löcher, in die dann die Eier gelegt werden. Anschliessend wird der Sand mit den hinteren Paddeln vorsichtig um die Eier befestigt, bevor das Nest dann ganz mit Sand bedeckt wird.




Wir beobachten mehrere Schildkröten bei der Arbeit. Ist eine Schildkröte fertig, geht sie zurück zum Meer. Eine grosse Welle reicht und sie ist verschwunden. Auf dem Weg zum Meer ist auch diese gerade geschlüpfte Schildkröte. Der Guide zeigt uns, wie die kleine Schildkröte sofort die Richtung ändert, wenn er mit der Taschenlampe leuchtet, obwohl sie schon fast im Wasser war.


Aber das schönste, was wir in dieser Nacht sehen, ist das fluoreszierende Plankton. Grünliche Lichtpunkte tanzen auf dem Wasser und werden mit den Wellen an den Strand geworfen. Leider gelingt es mir nicht, diese Schönheit mit der Kamera einzufangen.
Schildkröten im ersten Licht des Tages
Dieser Ausflug ist so beeindruckend, dass wir spontan beschliessen, um 5.00 Uhr noch einmal auf die Morgentour zu gehen.
Am Morgen kann man wesentlich mehr erkennen als in der Nacht. Allerdings ist es eine Frage des Glücks, ob noch Schildkröten da sind. Wir haben Glück, denn zwei Schildkröten sind noch dabei, ihre Nester fertig zu bedecken. Obwohl die eine der beiden Schildkröten eigentlich schon fast fertig ist, gehen beide fast zeitgleich zurück ins Meer. Die erschöpfte Schildkröte läuft zu allem Überfluss noch mehrere Kurven bis sie das Wasser erreicht.








Als die letzte Schildkröte verschwunden ist, machen auch wir uns auf den Weg zum Hotel. Wir kommen an einem geräuberten Nest vorbei. Ein Fuchs hat das Nest ausgegraben. So wirklich nahrhaft sind die Schildkröten für ihn aber nicht, denn er kann nur den Kopf fressen. Ein trauriger Anblick, aber das ist Natur.

Auf dem Rückweg zum Hotel fallen uns auch die Schilder am Wegesrand auf. Wir amüsieren uns sehr, vor allem, da sich das Hotel schon in Sichtweite befindet.

Übernachtet haben wir im Ras al Jinz Turtle Reserve.
Alle Beiträge zu dieser Oman-Reise findet ihr nachstehend in der Reihenfolge der Reise:
Hier findest du die Reise- und Besichtigungstipps zu Oman.