Phil speaks week – debattieren während des Austauschjahres in Irland
Wahrscheinlich fragt ihr euch nach dem Lesen der Überschrift, was sich hinter Phil speaks week verbirgt. Nun es ist ein Programm des Trinity Colleges für Studenten im Transition Year. The Phil steht als Abkürzung für the University Philosophical Society. Berühmte Ehemalige dieser Gesellschaft sind John B. Yeats und Oscar Wilde. Die Geschichte der Philosophical Society ist interessant zu lesen. Während vier Tagen wurden wir nicht nur in die Kunst der Debatte und des Debattierens eingeführt, sondern wir erhielten auch noch einen Überblick über andere Gesellschaften und verschiedene Studienrichtungen des Trinity Colleges.
Anfangs war ich über die Delegation von meiner Schule zu diesem Programm gar nicht so begeistert, denn es bedeutete einiges an Mehrarbeit. Bereits für die Anmeldung zu Phil speaks week musste ich ein Essay schreiben, worüber ich gern debattieren würde. Und während die Woche online ablief, ging auf einem anderen Kanal der normale Schulunterricht weiter, so dass ich den verpassten Stoff, die Prüfungen und Hausaufgaben – einfach alles nachholen musste. Im Nachhinein bin ich aber sehr froh, dass mir diese Erfahrung ermöglicht wurde.
Einführung in die Kunst der Debatte und des Debattierens
„Warmwerden“ am Anfang der Phil speaks week
Bevor wir mit dem Debattieren beginnen, stellen sich erst einmal alle von Seiten des Trinity College an der Phil speaks week Beteiligten vor und präsentieren kurz ihre Studienrichtungen. Am Nachmittag kommen wir dann in den Genuss zweier Workshops – einen zum Schreiben und den zweiten zum Debattieren. Ich hatte erst einmal ein paar Anpassungsschwierigkeiten mit der Englischen Sprache. Drückten sich doch die Professoren des Trinity College ungewohnt gewählt aus.
Am zweiten Tag stiegen wir zum Warmwerden in eine Diskussion zum Thema „Soziale Medien“ ein. Danach wurde es handwerklich, denn wir mussten die uns per Post zugesendeten weissen T-Shirts gestalten. Während dessen hörten wir einen Vortrag von Jack Cullen, der eine gewisse Ähnlichkeit im Aussehen mit Edward Cullen von Twilight hatte. Er hat nicht im Film mitgespielt, wie unsere Nachfrage ergab. Im Anschluss sprachen wir dann jedoch hauptsächlich über Celebrities und Twilight.
Bevor es dann richtig zum Debattieren geht, haben wir einen Feiertag zur Erholung. Es ist St. Patricks Day, der Nationalfeiertag der Iren. Da wir uns aber immer noch im Lockdown befinden, wird alles unternommen, damit der Tag nur virtuell gefeiert wird. Mit einem grossen Polizeiaufgebot wird verhindert, dass die Menschen in die Innenstadt von Dublin kommen.
Unterschiedliche Arten der Debatte
Eine Debatte ist ein Streitgespräch, welches formalen Regeln folgt. Darin unterscheidet sich die Debatte auch von der Diskussion. Die Debatte ist die Königsdisziplin der rhetorischen Auseinandersetzung in einem kultivierten Streitgespräch. Debatten sollen den Politikern helfen, eine fundierte Entscheidung zu einem Thema zu treffen. Häufig finden nach Debatten auch Abstimmungen statt.
Comedy Speech am Vormittag
Es gibt verschiedene Formen der Debatte. Wir fangen mit einer humorvollen Debatte, der Comedy speech, an. Auch eine humorvolle Debatte weist eine Gliederung auf und muss einem „roten Faden“ folgen. Es geht nicht um die lose Aneinanderreihung von Witzen. Bei dieser Form des Debattierens kommt es auch auf die körperliche Darstellung und die Betonung an. Man könnte sagen schauspielerisches Talent ist neben Wortwitz gefragt. Zwei Personen von the Phil führen uns vor, wie so eine Debatte aussehen kann.
Kammer Debatte am Nachmittag
Vereinfacht gesagt, gibt es bei einer solchen Debatte immer eine Seite, die für die Streitfrage ist und eine Seite, die dagegen ist. Per Definition ist die Regierung immer dafür und die Opposition immer dagegen. Es werden Reden gehalten, in denen man seine eigenen Argumente vorbringt und gegebenenfalls die Argumente der Gegenseite widerlegt. Regierung und Opposition wechseln sich dabei ab. Es gibt klare Regeln damit die Debatte nicht in eine Diskussion ausartet.
Am Nachmittag ist es dann so weit und die ersten von uns bekommen ihre Rollen zugewiesen und müssen zum Thema „Soziale Medien“ (dafür und dagegen) debattieren. Die grösste Schwierigkeit ist es, die einem zugewiesene Rolle unabhängig von seiner persönlichen Meinung auszufüllen. Ich kann die Debatte gespannt verfolgen, da ich nicht debattieren muss. Automatisch überlegt man aber, was man selbst in der jeweiligen Rolle anders gemacht hätte oder welche Argumente man selbst vorgebracht hätte. Vermutlich gibt es normalerweise bei der Debattierwoche mehr Übungsmöglichkeiten, aber da unsere Woche nur vier Tage wegen des St. Patrick Day hatte, steht für uns schon nach der Theorie der Wettbewerb an.
Debattierwettbewerb am Ende von Phil speaks week
Viel zu schnell steht der Tag des Wettbewerbs an. Freitag 9.00 Uhr geht es mit der Einteilung in Zweierteams los. Wir müssen im British Parliamentary Style debattieren.
Die Regeln des Wettbewerbs
Jeweils vier Teams mit zwei Rednern treten gegeneinander an. Es gibt folgende Rollen in der Reihenfolge ihres Auftritts:
OG (Opening Government),
OO (Opening Opposition),
CG (Closing Government),
CO (Closing Opposition).
Jedes Team kommt zwei Mal an die Reihe. Insofern muss auch jeder aus dem Team einmal sprechen. Die Choreografie sieht vor, dass Person A eines Zweierteams die erste und die letzte Minute ungestört die vorbereiteten Argumente vortragen darf. Dazwischen darf die Gegenseite den Redefluss mit Zwischenrufen und -fragen stören. Nach Ablauf von maximal 5 Minuten ist das nächste Team an der Reihe seine Argumente vorzutragen. In der zweiten Runde setzt sich dann Person B des Zweierteams mehr mit den Argumenten der Gegenseite auseinander und bekräftigt noch einmal argumentativ seinen Standpunkt.
In der Rolle, die die regierungsnahe beziehungsweise oppositionsnahe Haltung einnimmt, ist eine der Schwierigkeiten, dass man eigentlich eine Koalition darstellt, sich aber dennoch vom Koalitionspartner, mit dem man eine Meinung vertreten muss, auch abheben muss. Denn jedes Zweierteam kämpft für sich allein.
Die Durchführung des Wettbewerbs
Wir erfahren die zu spielende Rolle und das Thema der Debatte und den virtuellen Raum, in dem die Debatte stattfindet. Anschliessend haben wir 15 Minuten Zeit, um uns in einem Break-out-Room im Team die Argumente zu überlegen. Jede Person des Teams muss während einer Motion einmal sprechen. Ihr könnt euch vielleicht ansatzweise vorstellen, wie aufgeregt ich war. Niemand weiss, dass ich ein Austauschschüler bin und soweit ich das in der Woche mitbekommen habe, bin ich die einzige Nichtmuttersprachlerin.
Nach Ablauf der 15 Minuten finden sich die zusammengehörigen vier Zweierteams im virtuellen Debattierraum ein. Anwesend sind zwei bis drei Preisrichter. Es wird zeitgleich in fünf virtuellen Räumen debattiert. Am Ende der Debatte müssen sich die Teams während der Beratung der Preisrichter zurückziehen. Bekanntgegeben wird nur das beste Team aus der Runde. Zusätzlich gibt es ein generelles Feedback. So geht es Runde um Runde.
Ich hatte folgende Anträge in unterschiedlichen Rollen zu debattieren:
This house would (THW) abolish the British monarchy. (Dieses Haus würde die Britische Monarchie abschaffen.)
This house regrets (THR) the narrative that motherhood is rewarding. (Dieses Haus bedauert das Narrativ, dass Mutterschaft lohnend sei.)
This house (TH) as an astronaut would prefer going on a one way mission to Mars to spending the rest of life on earth. (Dieses Haus würde als ein Astronaut eine one-way-Mission zum Mars vorziehen als den Rest des Lebens auf der Erde verbringen zu müssen.)
And the winner is …
Nachdem drei Runden durchgespielt wurden, kam es zur Endausscheidung um Silber und Gold. Mit meiner Partnerin durfte ich mit drei weiteren Teams um die Silbermedaille kämpfen. Leider fanden die Debatten um Gold und Silber zeitgleich statt, so dass ich dem Kampf um Gold nicht beiwohnen konnte. Unser Thema im Kampf um Silber war:
This house believes (THB) that schools should encourage students to follow their passions at the expense of a career. (Dieses Haus glaubt, Schulen sollten Schüler ermutigen, ihren Leidenschaften auf Kosten der Karriere zu folgen).
In dieser Debatte hatte ich die Rolle CG, also regierungsnah.
Wir haben zwar Silber nicht gewonnen, aber dennoch bin ich mächtig stolz, so weit gekommen zu sein. Ich habe mich auch jedes Mal gefreut, wenn es mir gelungen ist, mich in der Englischen Sprache eloquent (ich liebe dieses Wort) auszudrücken.
Ich hatte Glück, mit der mir zugeteilten Partnerin von einer anderen Schule. So ein Wettbewerb schweisst zusammen. Am Ende war ich froh an Phil speaks week im Rahmen meines Austauschjahres teilgenommen zu haben. Weitere Berichte aus meinem Austauschjahr in Irland könnt ihr hier lesen.