Ein Wochenende in der goldenen Stadt an der Moldau – Prag
Prag ist mehr als die Summe seiner Sehenswürdigkeiten und Geschichte. Die mittelalterlichen Gassen, die malerischen Plätze, die gemütlichen Cafés und Biergärten verleihen der Stadt eine besondere Atmosphäre. Ich lade dich ein, mit uns ein verlängertes Wochenende durch die Altstadt von Prag zu schlendern. Ein Bummel durch Prag ist abwechslungsreich wie Smetanas Moldau. Wir sind hier an einem Pfingstwochenende zum Familientreffen und erleben Prag mit Jung und Alt. Obwohl es Jahrzehnte her ist, dass ich zuletzt für einen Städtetrip in Prag war, ist die Stadt doch noch so, wie ich sie in Erinnerung habe – bunt, quirlig und voller Charme.
In diesem Beitrag werde ich dich nicht mit den wichtigsten Sehenswürdigkeiten von Prag langweilen. Einerseits gibt es in Prag einfach zu viele und andererseits möchte ich dich inspirieren, dich auf diese grossartige Stadt einzulassen. Bummele, schlendere oder flaniere durch Prag! Nur so wirst du Prag wirklich erleben. Am Ende gebe ich dir auch thematische Inspirationen für Stadtbummel durch Prag.
Eine zentrale Unterkunft ist da sehr von Vorteil. Unser grosses Veleslavinova Apartment ist gerade fünf Minuten von der Karlsbrücke entfernt. So stürzen wir uns auch direkt mitten in den Trubel. Und da hier alle relaxed sind, ist es ok, obwohl Menschenmassen nicht so unser Ding sind. Einziger Haken an unserer schön restaurierten Altstadtwohnung ist, dass wir keine Anwohner-Plaketten haben und deshalb trotz der vielen freien Parkplätze in einem Parkhaus parken müssen. Aber wir wurden bereits bei der Abholung des Wohnungsschlüssels gewarnt, dass bevorzugt Autos mit ausländischen Kennzeichen gebüsst werden und die Polizei regelmässig ihre Runden dreht.
Über die Karlsbrücke zum Hradschin
Nachdem alle eingetroffen sind, begeben wir uns zu Fuss auf Erkundungstour. Unser erstes Ziel ist die Karlsbrücke, die ganz in der Nähe des Appartements liegt.
Vor lauter Menschen sehen wir die Karlsbrücke nicht. Menschenmassen sind unterwegs. Einmal auf der Brücke werden wir vorwärts geschoben. An den Rändern gelingt es, hier und da anzuhalten und das pulsierende Leben auf dem Fluss zu beobachten.
Für musikalische Untermalung ist gesorgt, denn Bands bemühen sich trotz der Massen um die Aufmerksamkeit der Touristen. Am gegenüberliegenden Ende der Brücke strömen die Menschen in Richtung Hradschin unaufhaltsam nach oben. Künstler zeichnen mit Wasserfarben Ansichten der Stadt. Noch unterhalb des Ziels bietet uns die Aussicht auf einen Garten eine willkommene Verschnaufpause.
Oben angekommen, geniessen wir die Aussicht auf die Stadt und das Kloster Strahov. Das Kloster wurde im Jahr 1143 gegründet und ist eines der ältesten Klöster des Landes. Heute beherbergt es eine Bibliothek und eine Brauerei.
Vor dem Ehrenhof stehen steif zwei Wachsoldaten. Uns begeistern mehr die steinernen Giganten, die das Tor bewachen.
Kirchen, Paläste und die goldene Gasse
Lange Schlangen von Touristen stehen auch noch am späten Nachmittag an der Security und warten auf Eintritt in die Burg. Wir hatten sowieso nicht vor, bei dem schönen Wetter an diesem Wochenende in Prag die Innenräume zu besuchen. Deshalb bummeln wir erst einmal weiter in Richtung Loretanska Strasse. Viele schöne Palais sind rechts und links der Strassen zu bewundern. Am Černin Palais springt uns ein schöner Garten ins Auge.
Am Ende der Strasse werfen wir noch einen Blick auf die Kirche der Muttergottes von Loreto, die P. Maria Andelska Kirche, bevor wir uns wieder auf den Rückweg machen.
Jetzt, nach 17.00 Uhr, ist auch nicht mehr so viel bei der Security los. Ins Innere der Gebäude kommt man nun nicht mehr, dafür ist es im Burghof deutlich leerer und kostet keinen Eintritt mehr. Wir können jedoch den St. Veits Dom jetzt noch von Aussen im Abendlicht bestaunen.
Anschliessend bummeln wir durch die immer noch total überfüllte Goldene Gasse, die alte Schlossstiege hinunter. Über die Manesuv Brücke geht es schliesslich zurück auf die andere Seite der Stadt, wo wir uns ein Restaurant zum Abendessen suchen.
Fun-Fact: Wusstest du, dass der Schaum eines ordentlich gezapften Pilsner Urquells so fest ist, dass man einen Zahnstocher für mindestens 10 Sekunden hineinstellen kann, ohne dass er umfällt oder sinkt?
Bei unserem gemütlichen Abendessen machen wir gleich den Test. Unser Zahnstocher steht sogar 20 Sekunden, bevor er seitlich abkippt und zu sinken droht.
Fototour am frühen Morgen
Für ein paar Fotos ohne Menschenmassen stehen Jörg und ich am nächsten Morgen früh auf. Allerdings gehört uns die Karlsbrücke auch 6.00 Uhr nicht allein. Neben jungen Männern, die noch gar nicht im Bett waren, und jeder Menge anderer Fotografen sind auch schon viele asiatische Brautpaare in Hochzeitskleid und Anzug unterwegs und lassen sich ablichten.
Am anderen Ende der Brücke laufen wir zur John Lennon Gedächtnismauer auf der Kampa Halbinsel. Der kleine Teufelsbach trennt die Kampainsel von der Kleinseite. Von der Karlsbrücke führt eine Treppe auf die Halbinsel, die wir aber erst entdecken, als wir unten davorstehen. Wir schlängeln uns durch die Häuser und kommen beim Wasserrad über den Fluss.
Auch vor der Gedächtnismauer, wo sich Fans anlässlich des Todestages des Beatles trafen, um gegen die Ächtung westlicher Rockmusik zu protestieren, stehen drei Hochzeitspaare. Es ist gar nicht so einfach, ein Stück Mauer ohne Personen zu ergattern. Lustig finde ich es schon, dass ausgerechnet bei dem Teil, wo die Liedzeile «All you need is love …» zu sehen ist, kein Brautpaar steht.
Die Skulpturen vor dem Kampa Museum erregen unsere Aufmerksamkeit.
Petrín und Kloster Stahov
Der Morgen ist sehr schön. Noch ist es angenehm kühl, auch wenn man schon merkt, dass es ein heisser Tag werden wird. Da wir erst um 9.00 Uhr mit Brötchen in der Wohnung zurückerwartet werden, beschliessen wir, noch auf den Laurenziberg zu steigen. Die erste Seilbahn begegnet uns um 7.00 Uhr, da haben wir schon mehr als die Hälfte des Weges nach oben geschafft.
Beim Aufstieg erschrecken wir zwei Hasen. Die Wege nach oben sind zahlreich. Wir laufen der Nase nach und folgen dabei ausgetretenen Pfaden durch die Obstgärten. Unerwartet schnell sind wir oben auf dem Petrín, so der tschechische Name, angekommen. Der 63,5 m hohe Aussichtsturm Petrín erinnert an den Eiffelturm. Er wurde 1861 anlässlich einer Industrieausstellung eröffnet und ist laut Wikipedia tatsächlich ein verkleinerter Nachbau des Eiffelturms.
Hier oben auf dem Berg herrscht himmlische Einsamkeit, denn Petrín-Turm und Spiegellabyrinth öffnen erst um 10.00 Uhr ihre Türen, deshalb sind wir von ein paar Joggern abgesehen allein hier und geniessen die Ruhe auf unserem Städtetrip in Prag.
Durch Wiesen laufen wir weiter zum Kloster Stahov. Auch da sind wir fast allein.
Bevor wir durch einen kleinen Durchgang unseren Abstieg durch Reben und Wiesen beginnen, erhaschen wir noch ein paar schöne Blicke auf das Kloster. Leider ist es um diese Uhrzeit geschlossen. Ansonsten würden wir sicher den berühmten Bibliothekssälen einen Besuch abstatten.
Auf unserem Weg nach unten können wir immer wieder schöne Blicke auf die Burganlage werfen.
Unser Weg führt uns am Palais Lobkowitz (Sitz der deutschen Botschaft) und am Palais Schönbaum (Sitz der amerikanischen Botschaft) vorbei. Im Garten der deutschen Botschaft steht die Kopie einer Skulptur des Künstlers David Cerný – ein Trabi auf vier Beinen. Die Skulptur erinnert an die in die Botschaft geflohenen DDR-Bürger, denen anschliessend die Ausreise in die BRD bewilligt wurde. Leider konnten wir keinen Blick auf den Trabi werfen. Dafür begegnet uns wenig später ein geparkter Trabi.
Anstatt über die Karlsbrücke zurückzulaufen, wenden wir uns am Fuss der Karlsbrücke nach links und folgen den verschlungenen Gässchen vorbei an einem netten kleinen, ummauerten Park zur Mánesuv Brücke.
Das Brötchendebakel
Unser morgendlicher Rundgang neigt sich dem Ende entgegen. So langsam sind wir etwas besorgt, denn nirgendwo zieht der Duft von frischen Brötchen durch die morgendlichen Strassen von Prag. In der Nähe der Wohnung fragen wir uns dann durch. Selbst eine Panadaria stellt sich als Café heraus, wo es nur belegte Brote, Kuchen und Croissants gibt. Eine Bäckerei gibt es hier weit und breit keine. Schlussendlich kaufen wir die Brötchen in einem kleinen Supermarkt. Zu Hause entpuppen sich dann die Körnerstangen auch noch als Brötchen, die üppig mit Kümmel, statt vermeintlichem Leinsamen bestreut sind. Kümmel geht gar nicht.
Altstädter Ring
Nach dem Frühstück zieht es die ganze Familie zum Altstädter Ring. Um das Schauspiel an der berühmten Rathausuhr sehen zu können, muss man in gerader Linie davor und ziemlich weit hinten stehen. Wenn man, wie wir, erst kurz vor der vollen Stunde erscheint, steht man sehr weit seitlich vorn. Von da sieht man aber die Figuren nicht. Sie sind von einem Taubennetz geschützt und laufen nur noch innen an den Fenstern vorbei.
Die Menschen verteilen sich wieder und unsere Aufmerksamkeit wird von Seifenblasen magisch angezogen. Ein Seifenblasenkünstler überzieht Leute, die etwas in die Kasse werfen mit grossen und kleinen Seifenblasen, die dann lustig in den Himmel steigen, bevor sie zerplatzen und so manchem Fotomotiv das gewisse Extra verleihen.
Auch, wenn wir kindliche Freude an den Seifenblasen haben, lassen wir uns weiter treiben. Die Atmosphäre ist an diesem Sonntagvormittag entspannt und so bewundern wir die Angebote der Glaskünstler, die sowohl futuristische Lampen als auch interessanten Schmuck verkaufen. In einer scheinbar alten Apotheke gibt es Seifen zu kaufen. In einem Matroschka Laden entdecken wir fast jeden berühmten Künstler oder Politiker als Matroschka-Figur. Das Angebot reicht von Souvenirs über Spezialitäten bis zu Designer Läden.
Was hier in der Innenstadt fehlt, sind Sitzgelegenheiten zum Ausruhen. Da es jenseits der Touristenattraktionen überall sehr schöne Parkbänke gibt, vermuten wir Absicht dahinter. Wahrscheinlich sollen ruhebedürftige Menschen sich ins nächste Café setzen. Wir wandern weiter zum Gemeindehaus im Jugendstil. Allerdings wird die Ansicht dieses wunderschönen Gebäudes von einer Unmenge an Verbotsschildern verunstaltet. Am Platz der Republik findet ein kleiner Markt statt. Dort endlich können wir uns bei einem Springbrunnen auf die Stufen setzen und kurz ausruhen.
Die Erholung der Füsse in der prallen Sonne ist nur ein halbes Vergnügen. Deshalb wandern wir an diesem Wochenende in Prag bald weiter zum jüdischen Viertel.
Jüdisches Viertel in Prag
Im jüdischen Viertel, auch Josefstadt genannt, sind unglaublich viele Menschen mit Führungen in allen Sprachen unterwegs. Der alte jüdische Friedhof ist wegen Feierlichkeiten über Pfingsten geschlossen. Er war jedoch sicher nicht der älteste jüdische Friedhof, den es in Prag gegeben hat, denn die Juden lebten ab dem 10. Jahrhundert in der Stadt.
Die Josefstadt wurde früher immer wieder von den Hochwassern der Moldau heimgesucht. Deshalb wurde bei der Sanierung das Strassenniveau angehoben. Und so liegt die Strasse vor der Altneusynagoge heute zwei Meter oberhalb des Eingangs.
Bis ins 18. Jahrhundert hiess die Synagoge nur Neusynagoge, denn die erste Synagoge war die Alte Schule aus dem 12. Jahrhundert. Diese wurde jedoch 1860 abgerissen. An ihrer Stelle wurde die Spanische Synagoge gebaut.
Eine wichtige Prager Legende rankt sich um die Altneusynagoge und den Rabbi Löw, der im 16. Jahrhundert eine Talmudschule in Prag eröffnete. Er soll den Prager Golem erschaffen und beseelt haben, um die Juden vor Überfällen zu schützen. Der Golem geriet jedoch ausser Kontrolle und verursachte Chaos und Zerstörung. Rabbi Löw soll sein Geschöpf deaktiviert und auf dem Dachboden der Altneusynagoge versteckt haben.
Abendspaziergang entlang der Moldau zum Tanzenden Haus
Nach einer wohltuenden Pause im Appartement werfen wir uns erneut ins Gedrängel. Wir folgen immer der Moldau und geniessen die Aussicht auf die gegenüberliegende Seite. Doch, was ist das im Wasser? Zwei Tiere erregen unsere Aufmerksamkeit. Biber konnten wir recht schnell ausschliessen, für eine Wasserratte sind sie viel zu gross. Erst der Blick in die Datenkrake bestätigt unsere Vermutung. Wir beobachten hier zwei fett gefressene Nutrias, die die Touristen oben an der Strasse anbetteln. Was man so alles an einem Wochenende in Prag entdecken kann.
Das Wasser bleibt interessant. Als nächstes sehen wir die langen Schlangen an den verschiedenen Tretbootvermietern. Auch bei den Kugeln, mit denen man auf dem Wasser laufen kann, wartet Kundschaft. Mein Ding wäre es nicht, eingeschlossen in einer Luftblase auf dem Wasser zu kugeln oder wie ein Hamster im Rad zu laufen.
Inzwischen sehen wir schon das Tanzende Haus in der Ferne. Für ein Foto ohne Fahrleitungen, Personen und Fahrzeuge muss ich mich fast überfahren lassen. Die beiden Hausteile schmiegen sich wie Fred Astaire und Ginger Rogers aneinander, weswegen das Haus auch Ginger & Fred genannt wird.
Wir folgen nun dem Weg zum Karlsplatz. Der Weg führt uns an den Einschusslöchern der St. Kyrill und Method Kirche vorbei. Die Einschusslöcher stammen von den Nazis, die die Attentäter des Reichsprotektors Heydrich 1942 bis zu dieser Kirche verfolgt hatten. In der Kirche erinnert eine Ausstellung an die Ereignisse jener Zeit. Wir bummeln weiter und geniessen ein weiteres Abendessen.
Eine Rathausuhr mit Störungen
Der Kauf der Brötchen bietet sich für einen Umweg an. So gehen wir noch schnell noch einmal an der Rathausuhr vorbei. Ausser den scheinbar obligatorischen asiatischen Hochzeitspaaren und ihrer Crew ist nicht viel los, sodass wir die perfekte Position haben. Der Zeiger rückt auf die Acht und es passiert rein gar nichts. Die Türen öffnen sich nicht, das Skelett zieht nicht an der Glocke und auch der Hahn kräht nicht. Wir hatten schon gehört, dass die Rathausuhr Störungen haben kann, konnten es aber nicht glauben. Wenigstens ein Bild von den Häusern am Altstädter Ring konnte ich noch machen.
«Die Schweizer haben die Uhren, die Prager die Zeit.»
Unser Wochenende in Prag endet schon wieder. Nach dem Frühstück heisst es Abschied nehmen von Prag und der Familie und für uns geht es wieder zurück nach Zürich. Aber schön war es und da Prag mehr als eine Reise wert ist, kommen wir wieder. Wir haben auch schon einige Ideen, worauf wir uns beim nächsten Städtetrip nach Prag fokussieren würden.
So würde es uns beispielsweise reizen, mal den Skulpturen von David Cerný durch Prag zu folgen. Neben Miminka und dem Trabi auf vier Füssen (Quo Vadis, Original steht in Leipzig) gibt es unzählige Skulpturen mehr, die in der ganzen Stadt verstreut zu finden sind (u.a. Horse, Metalmorphosis, Man Hanging Out, In Utero, Piss, Brown Nosers, Fast Tuned Skull).
Auch sonst stehen in der Stadt viele Skulpturen wie die des kopflosen Mannes, auf dessen Schultern Franz Kafka sitzt von Jaroslav Róna.
Ebenso wäre sicher sehr lohnenswert, den Spuren des literarischen Prags zu folgen. Berühmte Verfasser deutschsprachiger Literatur sind Franz Kafka, Rainer Maria Rilke, Franz Werfel, Egon Erwin Kisch. Natürlich würde es auch Spass machen, einmal durch die Antiquariate und Buchhandlungen zu stöbern. Die Krönung wäre ein Besuch des Bücherturms in der Municipal Library of Prague sowie der Bibliothek des Klosters Strahov.
Autoren und Kaffeehäuser gehören irgendwie auch zusammen, sodass auch das leibliche Wohl nicht zu kurz käme. Und falls du dich eher für Trickfilme und Marionetten begeisterst, auch da bietet Prag einiges. An Ideen mangelt es uns jedenfalls nicht, wir kommen wieder nach Prag.
Wenn du dich für Städtetrips interessierst, könnten für dich auch folgende Beiträge interessant sein:
wunderschöne Fotos und ein sehr guter Bericht von und über Prag, gefällt mir sehr gut
Es freut mich immer, wenn ich Kommentare bekomme. Vor allem über positive Kommentare freue ich mich.
gefällt mir