Vor dem Frühstück – Karlsbrücke, John Lennon Mauer und Aufstieg zum Laurenziberg
Nach dem Frühstück – Altstädter Ring und jüdisches Viertel
Ein Abendspaziergang entlang der Moldau zum Tanzenden Haus
Karlsbrücke und Hradschin
Für ein Familientreffen haben wir uns dieses Jahr die Stadt Prag ausgesucht. So fahren wir an Pfingsten frühzeitig nach Prag. Mittags erreichen wir die quirlige Innenstadt, in der wir sehr zentral gelegen ein Appartement in einem schön restaurierten Altstadtbau gemietet haben. Obwohl es überall blaue Parkzonen Parkplätze gibt, müssen wir mangels einer Anwohner-Plakette die Autos nach dem Entladen schnell in ein Parkhaus fahren. Bereits bei der Abholung des Schlüssels wurden wir gewarnt, dass bevorzugt Autos mit ausländischen Kennzeichen gebüsst werden und die Polizei regelmässig ihre Runden dreht.
Nach einer kurzen Erholungspause bei Kaffee und Muffins begeben wir uns zu Fuss auf Erkundungstour. Unser erstes Ziel ist die Karlsbrücke, die ganz in der Nähe des Appartements liegt. Auf dem Weg dahin fällt uns als erstes eine Werbung für Absinth, auch die grüne Fee genannt, ins Auge.


Vor lauter Menschen sehen wir die Karlsbrücke nicht. Menschenmassen sind unterwegs. Einmal auf der Brücke werden wir vorwärts geschoben. An den Rändern gelingt es, hier und da anzuhalten und das pulsierende Leben auf dem Fluss zu beobachten. Boote in allen Grössen sind auf der einen Seite der Brücke zu beobachten. Auf der anderen Seite wimmelt es von Tretbooten.


Auch auf der Brücke buhlen Bands mit Künstlern um die Aufmerksamkeit der Touristen. Am gegenüberliegenden Ende der Brücke strömen die Menschen in Richtung Hradschin unaufhaltsam nach oben. Künstler zeichnen mit Wasserfarben Ansichten der Stadt. Noch unterhalb des Ziels bietet uns die Aussicht auf den Garten eine willkommene Verschnaufpause.

Oben angekommen, geniessen wir die Aussicht auf die Stadt und das Kloster Strahov.

Vor dem Ehrenhof stehen steif zwei Wachsoldaten. Uns begeistern mehr die steinernen Giganten, die das Tor bewachen.

Lange Schlangen von Touristen stehen noch an der Security und warten auf Eintritt in den Burghof. Wir hatten sowieso nicht vor, bei diesem Besuch die Innenräume zu besuchen, insofern ruhen sich die einen erst einmal aus, während die anderen der Loretanska Strasse folgen. Am Ende der Strasse werfen wir noch einen Blick auf die Kirche der Muttergottes von Loreto, die P. Maria Andelska Kirche und den vis-a-vis gelegenen Park bevor wir uns wieder auf den Rückweg machen und die anderen abholen.


Jetzt, nach 17.00 Uhr, ist auch nicht mehr so viel bei der Security los. Ins Innere der Gebäude kommt man nun nicht mehr, dafür ist es im Burghof deutlich leerer und kostet keinen Eintritt mehr. Kurz grübeln wir noch, ob die Taschenmesser im Rucksack ein Problem sind, aber glücklicherweise stellen sie kein Problem dar.
Wir bestaunen den St. Veits Dom im Abendlicht und laufen durch die immer noch total überfüllte Goldene Gasse die alte Schlossstiege hinunter. Über die Manesuv Brücke geht es schliesslich zurück zu unserem Appartement.





In einem gemütlichen Restaurant finden wir noch einen Platz zum Abendessen, wo wir uns Knödel mit Rinderbraten in einer Sahne-Zitronensauce und ein Pilsner Urquell schmecken lassen. Im Reiseführer hatte ich gelesen, dass der Schaum eines ordentlich gezapften Biers so fest ist, dass man einen Zahnstocher für mindestens 10 Sekunden hereinstellen kann, ohne dass er umfällt oder sinkt. Wir machen natürlich gleich die Probe. Unser Zahnstocher steht sogar 20 Sekunden bevor er seitlich abkippt und zu sinken droht.
Den Abend lassen wir gemütlich im Appartement ausklingen. Nach dem frühen Aufstehen und den Anstrengungen des Tages wird keiner mehr alt.
Vor dem Frühstück – Karlsbrücke, John Lennon Mauer und Aufstieg zum Petrin (Laurenziberg)
Am nächsten Morgen stehen Jörg und ich sehr früh auf. Ziel ist es, die Karslbrücke mal ohne Menschen zu sehen. 6.08 Uhr sind wir da. Es ist zwar deutlich leerer, aber allein sind wir nicht. Neben jungen Männern, die noch gar nicht im Bett waren, und jeder Menge anderer Fotografen sind auch schon viele asiatische Brautpaare in Hochzeitskleid und Anzug unterwegs und lassen sich ablichten.

Am anderen Ende der Brücke laufen wir zur John Lennon Gedächtnismauer auf der Kampa Halbinsel. Der kleine Teufelsbach trennt die Kampainsel von der Kleinseite. Von der Karlsbrücke führt eine Treppe auf die Halbinsel, die wir aber erst entdecken, als wir unten davorstehen. Wir schlängeln uns durch die Häuser und kommen beim Wasserrad über den Fluss.


Auch vor der Gedächtnismauer, wo sich Fans anlässlich des Todestages des Beatles trafen, um gegen die Ächtung westlicher Rockmusik zu protestieren, stehen drei Hochzeitspaare. Es ist gar nicht so einfach ein Stück Mauer ohne Personen zu ergattern. Lustig finde ich es schon, dass ausgerechnet bei dem Teil, wo das Zitat der Liedzeile «All you need is love …» kein Brautpaar steht.

Die Skulpturen vor dem Kampa Museum erregen unsere Aufmerksamkeit.


Der Morgen ist sehr schön. Noch ist es angenehm kühl, auch wenn man schon merkt, dass es ein heisser Tag werden wird. Da wir erst um 9.00 Uhr mit Brötchen in der Wohnung zurückerwartet werden, beschliessen wir, noch auf den Laurenziberg zu steigen. Die erste Seilbahn begegnet uns um 7.00 Uhr, da haben wir schon mehr als die Hälfte des Weges nach oben geschafft.
Beim Aufstieg erschrecken wir zwei Hasen. Die Wege nach oben sind zahlreich. Der Weg, dem wir links neben der Seilbahn folgen, führt irgendwann sehr weit nach links weg. So laufen wir unter der Seilbahn durch, nur um festzustellen, dass dieser Weg nun sehr weit nach rechts abschweift. Also laufen wir der Nase nach und folgen ausgetretenen Pfaden durch die Obstgärten. Unerwartet schnell sind wir oben angekommen. Der 63,5 m hohe Aussichtsturm auf Petrín erinnert an den Eiffelturm. Er wurde 1861 anlässlich einer Industrieausstellung eröffnet und ist laut Wikipedia tatsächlich ein verkleinerter Nachbau des Eiffelturms.
Hier oben auf dem Berg herrscht himmlische Einsamkeit, denn Turm und Spiegellabyrinth öffnen erst um 10.00 Uhr ihre Türen, deshalb sind wir von ein paar Joggern abgesehen allein hier und geniessen es.


Durch Wiesen laufen wir zum Kloster. Auch da sind wir fast allein.

Bevor wir durch einen kleinen Durchgang unseren Abstieg durch Reben und Wiesen beginnen, erhaschen wir noch ein paar schöne Blicke auf das Kloster. Leider ist es um diese Uhrzeit geschlossen. Ansonsten würden wir sicher den berühmten Bibliothekssälen einen Besuch abstatten.


Auf unserem Weg nach unten können wir immer wieder schöne Blicke auf die Burganlage werfen.

Unser Weg führt uns am Palais Lobkowitz (Sitz der deutschen Botschaft) und am Palais Schönbaum (Sitz der amerikanischen Botschaft) vorbei. Im Garten der deutschen Botschaft steht die Kopie einer Skulptur des Künstlers David Cerný – ein Trabi auf vier Beinen. Die Skulptur erinnert an die in die Botschaft geflohenen DDR-Bürger, denen anschliessend die Ausreise in die BRD bewilligt wurde. Leider konnten wir keinen Blick auf den Trabi werfen. Dafür begegnet uns wenig später ein geparkter Trabi.

Anstatt über die Karlsbrücke zurückzulaufen, wenden wir uns am Fuss der Karlsbrücke nach links und folgen den verschlungenen Gässchen vorbei an einem netten kleinen, ummauerten Park zur Mánesuv Brücke.

Am Fuss der Brücke haben viele Schwäne ihr Lager aufgeschlagen. Selbst hierher verirrt sich ein Brautpaar zum Fotoshooting. Unser morgendlicher Rundgang neigt sich dem Ende entgegen. So langsam sind wir etwas besorgt, denn nirgendwo zieht der Duft von frischen Brötchen durch die morgendlichen Strassen. In der Nähe der Wohnung fragen wir uns dann durch. Selbst eine Panadaria stellt sich als Cafe heraus, wo es belegte Brote, Kuchen und Croissants gibt. Eine Bäckerei gibt es hier weit und breit keine. Schade eigentlich. Schlussendlich kaufen wir die Brötchen in einem kleinen Supermarkt. Die vermeintlichen Körnerstangen enthalten nicht Leinsamen, sondern Kümmelkörner, aber die einfachen Brötchen sind ganz ok.
Nach dem Frühstück – Altstädter Ring und jüdisches Viertel
Nach dem Frühstück zieht es uns zum Altstädter Ring. Um das Schauspiel an der berühmten Rathausuhr sehen zu können, muss man in gerader Linie davorstehen. Wenn man wie wir erst kurz vor der vollen Stunde erscheint, steht man sehr weit seitlich von der Rathausuhr, denn unglaublich viele Menschen wollen das Spektakel sehen. Von der Seite sieht man die Figuren nicht, die von einem Taubennetz geschützt werden und nur noch innen an den Fenstern vorbeilaufen. Man muss direkt davor und ziemlich weit hinten stehen, um einen guten Blick auf die Figuren zu erhaschen.

Die Menschen verteilen sich wieder und unsere Aufmerksamkeit wird von Seifenblasen magisch angezogen. Ein Seifenblasenkünstler überzieht Leute, die etwas in die Kasse werfen mit grossen und kleinen Seifenblasen, die dann lustig in den Himmel steigen, bevor sie zerplatzen und so manchem Fotomotiv das gewisse Extra verleihen.


Wir lassen uns von der entspannten Atmosphäre treiben, bewundern die Angebote der Glaskünstler, die sowohl futuristische Lampen als auch interessanten Schmuck verkaufen. In einer scheinbar alten Apotheke gibt es Seifen zu kaufen. In einem Matroschka Laden entdecken wir fast jeden berühmten Künstler oder Politiker als Matroschka-Figur. Das Angebot reicht von Souvenirs über Spezialitäten bis zu Designer Läden.
Was hier in der Innenstadt fehlt, sind Sitzgelegenheiten zum Ausruhen. Da es jenseits der Touristenattraktionen überall sehr schöne Parkbänke mit Schlangenkörpern gibt, vermuten wir Absicht dahinter. Wahrscheinlich sollen ruhebedürftige Menschen sich ins nächste Café setzen. Wir wandern weiter zum Gemeindehaus im Jugendstil. Selbst die Ansicht dieses wunderschönen Gebäudes wird von einer Unmenge an Verbotsschildern verunstaltet. Am Platz der Republik findet ein kleiner Markt statt. Dort endlich können wir uns bei einem Springbrunnen auf die Stufen setzen und kurz ausruhen.

Die Erholung der Füsse in der prallen Sonne ist nur ein halbes Vergnügen. Deshalb wandern wir bald weiter zum jüdischen Viertel.




Im jüdischen Viertel sind unglaublich viele Menschen mit Führungen in allen Sprachen unterwegs. Der jüdische Friedhof ist wegen Feierlichkeiten über Pfingsten geschlossen. Wir brauchen dringend eine Pause von der Hitze und den Menschenmassen, weshalb wir unser Appartement zum Füssehochlegen und Kaffeetrinken aufsuchen.
Ein Abendspaziergang entlang der Moldau zum Tanzenden Haus
Nach dieser wohltuenden Pause fühlen wir uns wieder fit genug, um uns ins Gedrängel zu begeben. Wir gehen an der Karlsbrücke vorbei und folgen immer der Moldau. Beim geniessen der Aussicht auf den Hradschin lassen wir unseren Blick auch übers Wasser schweifen und halten erstaunt inne. Zwei Tiere erregen unsere Aufmerksamkeit – aber wer sind sie? Den Biber konnten wir recht schnell ausschliessen, für eine Wasserratte sind sie viel zu gross. Beim Blick in die Datenkrake bekommt die Vermutung, dass es sich um Nutrias handeln könnte, Bestätigung. Wir beobachten hier zwei fett gefressene Nutrias, die die Touristen oben an der Strasse anbetteln. Wie diese beiden wohl in die Moldau kommen?

Das Wasser bleibt interessant. Als nächstes sehen wir die langen Schlangen an den verschiedenen Tretbootvermietern. Auch bei den Kugeln, mit denen man auf dem Wasser laufen kann, wartet Kundschaft. Mein Ding wäre es nicht, eingeschlossen in einer Luftblase auf dem Wasser herumzufallen oder wie ein Hamster im Rad zu laufen.

Inzwischen sehen wir schon das Tanzende Haus in der Ferne. Für ein Foto ohne Fahrleitungen, Personen und Fahrzeuge muss ich mich fast überfahren lassen. Die beiden Hausteile schmiegen sich wie Fred Astaire und Ginger Rogers aneinander, weswegen das Haus auch Ginger & Fred genannt wird.

Wir folgen nun dem Weg zum Karlsplatz. Der Weg führt uns an den Einschusslöchern der St. Kyrill und Method Kirche vorbei. Die Einschusslöcher stammen von den Nazis, die die Attentäter des Reichsprotektors Heydrich 1942 bis zu dieser Kirche verfolgt hatten. In der Kirche erinnert eine Ausstellung an die Ereignisse jener Zeit.
In den Parkanlagen des Karlsplatz gibt es viele Parkbänke, die zum Ausruhen einladen. Wir gehen durch die Stadt zurück und suchen uns etwas zum Abendessen.
Abschied von Prag
Am nächsten Morgen heisst es Abschiednehmen von Prag. Da es am Abend nicht so laut war, hatten wir die Fenster offengelassen, aber die Stadt erwacht heute am Pfingstmontag früh. Hier ist scheinbar kein Feiertag, denn die Menschen eilen zur Arbeit. So nutzen wir den Gang zum Brötchenholen für einen Umweg und gehen noch einmal an der Rathausuhr vorbei. Wir haben die perfekte Position, denn ausser den obligatorischen asiatischen Hochzeitspaaren und ihrer Crew ist nicht viel los.
Endlich rückt der Zeiger auf die Acht vor, aber es passiert absolut nichts. Die Türen öffnen sich nicht, das Skelett zieht nicht an der Glocke, der Hahn kräht nicht. Jetzt wissen wir immerhin was der Reiseführer damit meinte, als er schrieb, dass die Rathausuhr gelegentlich Störungen hätte. Für 8 Uhr fehlt offensichtlich ein Zahnrad, was den Mechanismus in Gang setzt. So gehen wir über den Platz, kaufen unsere Brötchen und geniessen das Frühstück bevor es ans Packen geht.

Fazit des Wochenendausflugs
Prag ist mehr als eine Reise wert. Trotz der vielen Menschen strahlt Prag einen ganz eigenen Charme aus. Im Reiseführer stand der Satz: «Die Schweizer haben die Uhren, die Prager die Zeit.» So kann man es vielleicht auch umschreiben.
Beim nächsten Besuch hätten wir gern mehr Zeit, um auch die eine oder andere Sehenswürdigkeit von Innen zu besichtigen. Mehr Zeit, uns durch die Gärten treiben zu lassen. Prag könnte man auf viele Arten erkunden. Mich würde es beispielsweise reizen, mal den Skulpturen von David Cerný durch Prag zu folgen. Neben Miminka und dem Trabi auf vier Füssen (Quo Vadis, Original steht in Leipzig) gibt es unzählige Skulpturen mehr, die in der ganzen Stadt verstreut zu finden sind (u.a. Horse, Metalmorphosis, Man Hanging Out, In Utero, Piss, Brown Nosers, Fast Tuned Skull).
Auch sonst stehen in der Stadt viele Skulpturen wie die des kopflosen Mannes auf dessen Schultern Franz Kafka sitzt.

Bei schlechtem Wetter könnte ich mir auch mal eine Kaffeehaustour durch Prag vorstellen. Natürlich würde ich gern den Bücherturm in der Municipal Library of Prague sehen, genauso wie die Bibliothek des Klosters Strahov.
Man könnte auch auf den Spuren des literarischen Prags wandeln. Berühmte Verfasser deutschsprachiger Literatur sind Franz Kafka, Rainer Maria Rilke, Franz Werfel, Egon Erwin Kisch. Natürlich würde es auch Spass machen, einmal durch die Antiquariate und Buchhandlungen zu stöbern und den unzähligen Kirchen einen Besuch abzustatten.
An Ideen mangelt es uns nicht, wir kommen wieder nach Prag.
Pfingsten 2019
Übernachtet oder besser gewohnt haben wir in den Veleslavinova Apartments im Herzen der Stadt, 5 Minuten zu Fuss von der Karlsbrücke. Natürlich gibt es auch andere Unterkünfte in Prag.
wunderschöne Fotos und ein sehr guter Bericht von und über Prag, gefällt mir sehr gut
Es freut mich immer, wenn ich Kommentare bekomme. Vor allem über positive Kommentare freue ich mich.
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