Besuch im Titanic Museum
Die Geschichte Belfasts ist eng mit der Geschichte der Titanic verbunden, die hier auf der immer noch existierenden Werft von Harland and Wolff mit ihrem Schwesterschiff zur Blütezeit des Schiffbaus gefertigt wurde. Allein schon die Bilder des Museumsgebäudes machen neugierig. Man erkennt den Bug eines Schiffes, der gleichzeitig durch die Kristallstruktur auch ein Eisberg sein könnte.

Insofern stand ein Besuch des Titanic Museums ganz oben auf unserer «to see Liste» für Belfast. Nach dem Reinfall mit dem Besuch bei den Marble Caves auf dem Weg nach Belfast, buchen wir gleich noch am Abend für den nächsten Tag Earlybird Tickets für 9.45 Uhr im Titanic Museum, damit ja nichts schief gehen kann.
Zu Fuss begeben wir uns von unserem gemieteten kleinen, roten Backsteinhaus zum Museum. Auf dem Weg gelingt es Jörg, uns noch eine Black Taxi Tour zu organisieren. Der am Vortag angefragte Anbieter hatte uns leider eine Absage geschickt.
Da Besucher pünktlich zur Abholung der Tickets da sein sollten, beeilen wir uns auf dem Weg durch die Stadt. Für ein paar fotografische Eindrücke reicht die Zeit dennoch.





Erfreulicherweise ist noch nicht viel los. Bevor man mit der Rolltreppe nach oben ins Museum fahren kann, werden alle Besucher noch mit Koffern und anderen Utensilien vor einem Bluescreen fotografiert. Am Ausgang warten dann nach Uhrzeit sortiert die Bilder und können gekauft werden. Lachende Familien stehen vor der Titanic und winken.
Das anlässlich des 100. Jahrestages des Untergangs der Titanic eröffnete Museum begeistert uns. Es beginnt mit dem Aufstieg Belfasts zur Leinenmetropole der Welt. Über Projektoren werden die Bilder der Vergangenheit lebendig. Ein Schwerpunkt liegt auf der Landflucht in die Stadt. Gezeigt wird, wie die Arbeitsbedingungen in den Leinmühlen und Leinwebereien waren. Auch die Wohnbedingungen der Arbeitsbevölkerung werden gezeigt. Heute sind die Häuser der Arbeiter-Wohnsiedlungen zwar etwas grösser, aber so viel scheint sich nicht geändert zu haben.
Die grosse Hungersnot in Irland ist Auslöser für die Migrationswelle nach Amerika und damit auch der Auslöser für die Planung grösserer Schiffe. Der Weg durchs Museum führt nach oben. Wir bekommen eine sehr realistische Vorstellung von der Höhe der Titanic bevor wir dann auf Sesseln schwebend wie auf einer harmlosen Achterbahn durch die Werft schweben. Durch die Geräuschkulisse vom Hämmern der Nieten bekommen wir ein realistisches Gefühl davon, wie es damals auf der Werft so zugegangen ist. Immerhin 1 Million Nieten wurden in den Koloss aus Stahl gehämmert.
Anschliessend kann man sich an Multimedia-Terminals die einzelnen Etappen angefangen bei der Kiellegung über den Bau des Rumpfes mit seiner doppelten Aussenhaut bis zum Stapellauf ganz genau ansehen.
Der Bau dieses grössten Dampfers seiner Zeit löste einen richtigen Medienhype aus, den man verfolgen kann
In der Ausstellung sind die Kabinen der First, Second und Third Class nachgebaut. Ein Ticket für die 3. Klasse mit einem Doppelstock Bett und eigenem Kissen war für 6 Pfund zu haben. Dies entsprach dem Monatslohn eines Werftarbeiters. Diese Klasse wurde meistens von Migranten für die Überfahrt gewählt. Räumlich war alles streng nach Geschlechtern getrennt. Die 3. Klasse Passagiere mussten mit 2 Toiletten pro Geschlecht auskommen. Es gab auch Massenlager ohne Kopfkissen, die günstiger waren.
Die 2. Klasse unterschied sich von der 3. Klasse durch einen Mahagoni Schrank und ein Waschbecken in der Kabine. Diese war auch etwas grösser. Und es gab mehr Toiletten. Der Luxus kostete allerdings auch mehr als das Doppelte.
Die 1. Klasse bot jeden erdenklichen Luxus, der weit über das zur damaligen Zeit in Hotels gebotene hinausging. Die Preise in der ersten Klasse begannen ab 26 Pfund.
An Multimedia-Terminals bekommt man einen Einblick in das Leben der Angestellten auf der Titanic.
Ab hier nimmt nun das Drama seinen Lauf. Es beginnt mit einem Raum, in dem man die Morsetechnik ausprobieren kann. Die letzten Funksprüche der Titanic sind an den Wänden verteilt. Daneben findet man die Aussagen der Überlebenden, die Anhörungen in Amerika, die Tagebucheintragungen der Ärzte. Dies wird ergänzt mit der weltweiten Medienberichterstattung über das Unglück.
Darüber hinaus zeigt die Ausstellung, was für die Überlebenden und Hinterbliebenen unternommen wurde. Die Ausstellung führt drastisch vor Augen, wie die Chancen zu überleben an Bord verteilt waren. Reich und weiblich war die Kombination mit der besten Überlebenschance. Die schlechtesten Chancen hatten männliche Angestellte oder männliche 3. Klasse Passagiere.
Das Museum verfügt sogar über einen Kinosaal. In diesem wird ein Film mit den Unterwasseraufnahmen des Wracks und den diversen Fundgegenständen gezeigt.
Durch die letzten Räume müssen wir recht schnell durchlaufen, weil wir die Zeit im Museum total vergessen haben und Jörg gern der Nomadic, dem Schiff auf dem Trockendock, noch einen Besuch abstatten will. Die Nomadic diente in Cherbourg als Passagierzubringer zur Titanic, die dort nur auf der Reede vor dem Hafen vor Anker gehen konnte.

Black Taxi Tour
13.30 Uhr sind wir vor dem Museum mit unserem Fahrer der Black Taxi Tour verabredet. Wir schaffen es gerade so pünktlich zum Treffpunkt. Eine Black Taxi Tour führt die Teilnehmer zu den Schauplätzen des Nordirland-Konfliktes.
Die schwarzen Londoner Taxis, in denen man herumgefahren wird, sind Bausatz-Autos. Der Motor kommt von Nissan. Die Karosserie-Bausätze gibt es in verschiedenen Ausführungen, u.a. auch als Classic Car für Hochzeitslimousinen. Im Auto sitzt man sich gegenüber.
Unser Fahrer ist Protestant und hat den Konflikt selbst erlebt, insofern ist die Tour eine sehr emotionale Angelegenheit. Er beginnt die Tour im Viertel der Protestanten und zeigt uns, wo die Auseinandersetzungen losgingen. In den Protestantenvierteln ist alles mit britischen Fähnchen geschmückt, denn am Samstag findet wieder der Marsch zum Gedenken an den Sieg des protestantischen Wilhelm von Oranje über britische Truppen in Irland statt.


Viele Hausgiebelseiten sind bemalt. Einige wenige Bilder sind friedliche Mauergemälde. Die meisten der Wandbilder halten die Erinnerung an die Führer der Bewegung wach. Zum Teil sind diese Bilder sehr martialisch. Die Armeen gibt es laut unserem Fahrer heute immer noch, sollen aber eher mafiöse Züge angenommen haben. Gleich hinter den Häusern steht das ehemalige Gefängnis für die politischen Häftlinge. Heute ist es ein Museum.



Der sogenannte Friedenswall (die Mauer) hat etwas von der Ost-West-Grenze in Deutschland. Die Mauer ist sehr hoch, hat 5 Tore, die immer noch abends geschlossen werden. Die Regierung will die Mauer und das Schliessen der Tore noch bis mindestens 2023 beibehalten. Je nachdem wie sich der Brexit gestaltet, kann es sein, dass die Mauer neue Aktualität bekommt.
Als nächstes bringt uns der Fahrer zu einer Brache, die wie eine Mülldeponie aussieht. Auch hier standen ursprünglich Häuser. Von dort hat man einen guten Blick auf den Grenzwall. Auf der Brache wird anlässlich der Oranje Märsche auch ein riesiger Scheiterhaufen entzündet. Unser Fahrer zeigt uns Bilder davon.

Der in den Protestantenvierteln aufgewachsene Fahrer, der auch selbst dort mit seiner Familie lebt, erzählt uns, dass er ein katholisches Viertel erst ein Jahr zuvor wegen seinem neuen Job als Black Taxi Fahrer erstmals betreten hat. Es scheint eine Urangst auf beiden Seiten zu geben. Eine Schulkameradin seiner ältesten Tochter gehörte noch zu den Opfern des Nordirland-Konfliktes.
Wir fahren entlang der Mauer und werden aufgefordert, ebenfalls etwas auf die Mauer zu schreiben.

Schliesslich fahren wir durch die Mauer zum Clonards Martyrs Memorial Garden. Das Denkmal ist für die Opfer beider Seiten und wurde an der Stelle erbaut, wo die ersten Häuser niederbrannten, was den Beginn der Auseinandersetzung markierte. Die Häuser der Katholiken, die direkt an der Mauer stehen, haben teilweise noch Drahtverhaue um ihren Garten, damit die Molotov Cocktails und Steine, welche trotz der Höhe über die Mauer kamen, keinen Schaden anrichten.

Auch in den Vierteln der Katholiken gibt es die Giebelfrontmalereien. Ein besonderes Bild erinnert an den Hungerstreik der katholischen Gefangenen, die für gleiche Haftbedingungen im Gefängnis gestreikt haben. Die damalige Premierministerin Maggy Thatcher hat es jedoch abgelehnt, mit Terroristen zu verhandeln, insofern sind die streikenden Gefangenen alle gestorben, der letzte nach über 60 Tagen Hungerstreik. Unglaublich.

Heute geniessen beide Seiten den Frieden. Die Kinder gehen in gemischte Schulen. Trotzdem haben alle Angst, dass der Krieg wieder aufflammen könnte. Mit der Brexit Entscheidung und dem ungeklärten Status von Nordirland bekommt die Angst vor einem erneuten Ausbruch des Konfliktes neue Nahrung.
Wir fragen uns die ganze Zeit, wie man freiwillig in einer solchen Umgebung des Hasses und der Destruktion leben kann, während das Taxi uns zurück in die lebendige Innenstadt bringt. Es ist als hätte Belfast zwei Gesichter. Da gibt es das moderne Belfast, in dem Aufbruchstimmung und Lebensfreude herrscht. In den Pubs gibt es selbst unter der Woche häufig Livemusik, überall sind Menschen in den Cafés und Pubs unterwegs. Es werden Hotels und moderne Büro- und Wohnviertel gebaut.
Und dann gibt es die gleichförmigen, trostlosen Wohnquartiere, wie das, in dem unser gemietetes Haus steht. Vorgärten mit Kies, häufig als Abstellplatz genutzt, für alles, was im Haus keinen Platz hat. Im Minigarten hinter dem Haus steht der Öltank für die Heizung und wächst das Unkraut. Bei manchen dieser Viertel hat der Architekt scheinbar vergessen, die Abwasserleitungen im Haus zu verlegen, denn sie führen an den Aussenwänden lang. Ausserhalb der Innenstadt gibt es ganze Strassenzüge, die zum Verkauf stehen, deren Geschäftslokale mit heruntergelassenen Rollläden an bessere Zeiten erinnern.