Yukon Quest – Zieleinlauf in Whitehorse
Dieser trübe Tag heute, der eigentlich dazu einladen würde, sich die Bettdecke über die Ohren zu ziehen und auszuschlafen, hält einige Überraschungen für uns bereit. Beim Frühstück erfahren wir, dass die ersten beiden Teilnehmer am Yukon Quest Schlittenhunderennen am Vortag in Whitehorse eingelaufen sind. Da wir auf unserem Weg nach Carmacks in Whitehorse vorbeikommen, hoffen wir natürlich darauf, dass wir auch Zeuge eines Zieleinlaufs werden.
Auch wenn das Wetter keinen Vergleich zum gestrigen Tag zulässt, nehmen wir den Weg über den Alaska Highway zurück nach Whitehorse. Deshalb fahren wir noch einmal über den Tagish River. Welch ein Unterschied zum sonnigen Tag gestern.
Am Alaska Highway fesseln zwei Caribous neben der Strasse unsere Aufmerksamkeit. Der Schnee reicht ihnen teilweise fast bis zum Bauch.
Das härteste Schlittenhunderennen der Welt
Der Yukon Quest gilt als das härteste Schlittenhunderennen der Welt. Zwischen Ausgangsort und Ziel liegen 1.600 km Wildnis, Kälte, Einsamkeit, Polarlichter, Wölfe. Das ist ein Kampf Mensch und Tier gegen die unerbittliche Natur. Im Februar können die Temperaturen bis minus 50 Grad Celcius fallen und Winde mit Geschwindigkeiten bis 80 km/h auftreten.
52 Pfoten und ein Mensch starten wechselweise in Whitehorse oder Fairbanks. Dieses Jahr (gerades Jahr) startete der Yukon Quest in Alaska und endet in Whitehorse. Die 1.000 Meilen oder 1.600 km werden meist innerhalb von 10 bis 14 Tagen absolviert.
Die Musher (Hundeschlittenführer) müssen ihre Ausrüstung selbst auf dem Schlitten transportieren. Erlaubt sind bis zu 113 kg Ausrüstung und Verpflegung für Mensch und Tier. An den Kontrollpunkten können sie weiteren, für sie hinterlegten Proviant, aufnehmen. Jedoch dürfen Schlitten und Hunde nicht getauscht werden. Nicht alle Hunde überstehen die Strapazen. An den Kontrollpunkten können Sie in die Obhut von Tierärzten übergeben werden.
Regelverstösse werden mit Zeitstrafen, Kürzung der Siegprämie bis zur Disqualifikation geahndet. Eine Zwangspause von mehreren Stunden gibt es in Dawson City, welches sich ungefähr auf der Hälfte der Strecke befindet.
Glück im Unglück
Als wir in Whitehorse ankommen, begeben wir uns als erstes zum Yukon Quest Büro, welches sich ganz in der Nähe der Baked Bakery befindet. Dort erfahren wir, dass der 4. platzierte Allen Moore circa in einer halben Stunde einlaufen wird. Das nenne ich doch mal Glück. Die Teilnehmer am Schlittenhunderennen sind mit GPS-Trackern ausgestattet, so dass der Frau im Büro ein kurzer Blick aufs Mobiltelefon genügte, um zu sehen, wo er ist und abzuschätzen, wie lange es ungefähr noch dauert.
So können wir schnell noch etwas Verpflegung in der Baked Bakery zum Mitnehmen kaufen und zum Zieleinlaufgelände fahren. Auf dem Weg von der Bäckerei zum Auto sterben meine treuen, über 10 Jahre alten Winterschuh für Eis und Schnee einen spontanen Heldentot. Sie lösen sich von jetzt auf eben komplett in ihre Einzelteile auf. Offensichtlich hat der Leim beschlossen, dass er genug Kälte erlebt hat. Gut, dass bei der gemieteten Winterkleidung auch Stiefel dabei sind. So kann ich erst einmal diese anziehen.
Zieleinfahrt am Yukon Quest 2020 von Allen Moore
Dick verpackt machen wir uns auf den Weg zum Zieleinlauf. Nicht nur die örtliche Presse und die Sponsoren sind anwesend. Nein, eine ganze Fangemeinde reist den Schlittenhunden von Kontrollpunkt zu Kontrollpunkt hinterher, um das jeweilige Lieblingsteam anzufeuern. Unter den Wartenden treffen wir auch Deutsche, die schon seit Jahren keins der Yukon Quest Schlittenhunderennen auslassen und von Etappe zu Etappe mitreisen.
Der Zieleinlauf ist nur das Highlight am Ende. Wer neugierig auf die Geschichten ist, die während des Rennes passieren, kann diese auf der deutschsprachigen Yukon Quest Webseite nachlesen. So ist Richie Beattie wohl kurz vor Dawson City auf dem Schlitten eingeschlafen. Als er aufwachte waren seine Hunde schon weitergelaufen, von einem Ski-Langläufer eingefangen und sicher nach Dawson City gebracht worden. Er selbst fand auch jemanden, der ihn mitnahm.
Während wir uns mit Unterhaltungen die Zeit vertreiben, sieht man endlich am Horizont den Hundeschlitten auftauchen. Vor der Zieleinfahrt hält Allen Moore noch ein paar Mal an. Als erstes werden die Mäntelchen der Hunde mit den Sponsorennamen gerichtet. Anschliessend gibt es noch zwei Stopps für ein paar schöne Fotos entlang der Rennstrecke und dann ist er im Ziel.
Die Presse stürmt auf den Fahrer zu. Es prasselt Frage auf Frage auf ihn nieder. Die Antworten fallen sehr wortkarg aus. Obwohl Allen Moor schon ein Yukon Quest Veteran ist, muss er sich wohl erst wieder an die Zivilisation gewöhnen. Er gewann dieses Hundeschlittenrennen bereits 2013, 2014 und 2018. Bevor die Pressefotos geschossen werden, bekommen die Hunde ein paar Leckereien.
Wir verschwinden mit inzwischen kalten Zehen vom Herumstehen aus dem Gewühl zum Auto.
Beheizbare Schuhe
Da ich spätestens für den Rückflug ein paar eigene Winterschuhe brauche, es aber auch sonst von Vorteil ist, ein zweites Paar Schuhe zu haben, fahren wir nach dem Zieleinlauf des Schlittenhunderennens zu einem Geschäft, welches Schuhe verkauft.
Schuhgeschäfte im europäischen Sinn gibt es hier in Whitehorse nicht. Wir haben extra noch einmal im Visitor Center nachgefragt. Denkt an ein Mittelding zwischen Supermarkt und Fabrikhalle und ihr könnt euch Marks vorstellen. Hier gibt es von Unterwäsche bis zur Winterbekleidung alles in Selbstbedienung. Die Regalmeter mit den Winterschuhen zu finden, war der einfache Teil. Jedes Modell ist ausgestellt und hat eine kurze Beschreibung bis zu welcher Temperatur es geeignet ist. Unter den Modellen sind die Kartons mit den vorhandenen Grössen gestapelt.
Da es keine halben Nummern gibt, war es richtig schwierig überhaupt ein Modell zu finden, welches passt. Zu eng, zu gross oder zu klein – Schuhe probieren ist schweisstreibende Arbeit. Nun besitze ich die Luxusvariante – beheizbare Winterstiefel. Die Stiefel haben kleine Akkus in der Seite des Schuhs. Diese können angeschlossen werden und in drei Temperaturstufen den vorderen Fussbereich aufheizen. Meine Befürchtungen damit auf dem Rückflug bei den Sicherheitskontrollen Probleme zu bekommen, haben sich glücklicherweise als unbegründet erwiesen.
Anschliessend kaufen wir im Supermarkt noch ein wenig Wegzehrung und Wasser ein und dann begeben wir uns auf die Fahrt nach Carmacks.
Carmacks, ein kleiner Ort im Nirgendwo
Carmacks befindet sich ungefähr auf der Hälfte der Strecke nach Dawson City im Nirgendwo. Auf der eigenen Website liest sich das so: «Carmacks ist eine wunderschöne Gemeinde am Flussufer, umgeben von spektakulärer Wildnis, wilden Tieren und Weltklasse-Parks.» Von der spektakulären Wildnis bekommt man jetzt im Winter weniger mit. Die Natur ruht erstarrt und hat einen anderen Charme. Im Sommer bieten zahlreiche Wanderwege einen anderen Eindruck von der Gegend.
Immerhin haben das Hotel, die Tankstelle, der Supermarkt und das Restaurant auch im Winter geöffnet. Im Winter ist hier wenig los. Im Hotel ist bereits kurz nach 17.00 Uhr die Rezeption nicht mehr besetzt. So müssen wir in der Bar einchecken.
Unsere Zimmer finden wir in der oberen Etage. Da es nachts kalt werden soll, räumen wir lieber alles aus dem Auto. Folglich müssen wir alles über die Treppen und langen Flure nach oben schleppen. Damit haben wir uns das Abendessen dann redlich verdient.
Das Restaurant befindet sich in einer Blockhütte vis-a-vis vom Hotel. Wir machen den Fehler und setzen uns an einen Tisch an der Wand. Allerdings zieht es durch die dicken Stämme ordentlich kalt rein. Die Speisekarte bietet Burger in allen Varianten.
Wir sind nicht die einzigen Gäste. Ein paar Trucker machen ebenfalls Pause und lassen die Motoren der Trucks währenddessen laufen.
Beim Frühstück werden wir von einem Ungarn bedient, der sich freut, mal wieder deutsch sprechen zu können und extra für uns im Supermarkt nachsieht, ob er ein Frühstück aus frischen Früchten, Joghurt und Bagels mit Cream Cheese für uns herstellen kann. Auf der Karte stehen all diese Dinge, nur werden sie scheinbar selten nachgefragt.
Er erzählt uns, dass das Restaurant wegen einer Baustelle recht gut lief und sie jeden Mittag 30 Essen servieren konnten. Wegen der Kälte ist die Baustelle aber jetzt geschlossen.
Links zu weiteren Berichten von unserer Kanada Reise:
Yukon im Winter erleben – eine verrückte Idee?
Ein Tag in Whitehorse bei schönstem Winterwetter
Dawson City – ein Ort wie ein Museum
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