Ein Wochenende in Glasgow
Wo fängt man an, wenn man über Glasgow, die grösste Stadt Schottlands erzählen will? Findet man den «netten grünen Ort» so wie die Übersetzung aus dem Gälischen lautet, heute noch in dieser Stadt, die zwischen Moderne und Geschichte pulsiert? Die zahlreichen Parkanlagen lassen darauf hoffen. Welche der Sehenswürdigkeiten und zahlreichen Museen schaut man sich auf seinem Städtetrip Glasgow an? Wo kann man dem Glasgower Jugendstil von Charles Rennie Mackintosh am besten nachspüren? Auf diese und weitere Fragen findest du hier Antworten. Wir haben Glasgow als Familie, aber je nach Interesse auch allein erkundet. Dennoch haben wir gemeinsame Highlights wie die Universität von Glasgow, die Kelvingrove Art Gallery oder The House for an Art Lover. Ich lade dich ein, mit uns ein Wochenende lang durch Glasgow zu streifen. Lass dich inspirieren und mach dir dein eigenes Bild.
Unser Städtetrip nach Glasgow
Atmosphäre in Glasgow
«People make Glasgow» – die Menschen sind das, was Glasgow ausmacht. So lautet der Slogan und die Website der Stadt. Die Einwohner von Glasgow werden genauso wie der Dialekt, den sie sprechen, Glaswegian genannt.
Und tatsächlich wurde Glasgow zur freundlichsten Stadt Schottlands gekürt. Davon, dass die Menschen freundlich, hilfsbereit und interessiert sind, können wir uns mehrfach überzeugen. Schon gleich an unserem ersten Morgen als wir das Visitor Center vergeblich suchen. Es befindet sich, nach mehreren Umzügen, jetzt direkt unterhalb des Shopping Centers Buchanan Galleries.
Auch wenn wir schon eine halbe Stadtbesichtigung hinter uns haben, bis wir das Visitor Center finden, haben sich die Informationen gelohnt. Die Glasgower Sehenswürdigkeiten «The Lighthouse» und der Wintergarten vom People’s Palace sind im Moment geschlossen. Die Wiedereröffnung bzw. der Abschluss der Bauarbeiten ist unbekannt.
Wenn ich nach einem Wochenende in Glasgow die Stadt beschreiben sollte, so fielen mir Worte ein, wie: bunt, laut, gegensätzlich und weitläufig. Die glanzvolle Innenstadt wirkt ein wenig schmuddelig und das trotz des traumhaften und wohl nicht üblichen Sonnenscheins, den wir geniessen durften. Spielen tagsüber alle paar Meter die Strassenmusiker, sitzen abends überall die Bettler an den zugigen Ecken. Die Spielkasinos fallen besonders abends ins Auge. Ob das den letzten Jahren mit Corona und Brexit geschuldet ist, wissen wir nicht.
Wie erkundest du Glasgow am besten?
Um einen Überblick zu bekommen, kannst du die Hop-on-Hop-off Busse nutzen. Diese fahren ab George Square im Uhrzeigersinn die wichtigsten Sehenswürdigkeiten ab.
Tipp: Wenn du für ein Wochenende Glasgow erkundest, solltest du dir überlegen, ob nicht das 2 Tage Ticket für einen geringen Aufpreis eine günstige Alternative für dich ist.
Wir probieren die U-Bahn aus. Das Tagesticket der kreisförmig um die Innenstadt fahrenden U-Bahn ist deutlich preisgünstiger, aber dafür musst du dann doch wieder grössere Strecken laufen. Der Inner Circle fährt gegen den Uhrzeigersinn, der Outer Circle mit dem Uhrzeigersinn. Je nachdem wo du zusteigst und wohin du fahren willst, wirst du dich für die kürzere Runde entscheiden. Allerdings solltest du nicht unter Platzangst leiden.
Die U-Bahn verkehrt montags bis samstags von 6.30 Uhr bis 23.40 Uhr. Sonntags fährt sie allerdings nur von 10.00 Uhr bis 18.12 Uhr. An Tagen von Fussballspielen sollte man die U-Bahn besser meiden, haben wir uns sagen lassen.
Glasgow ist die einzige schottische Stadt mit einer U-Bahn. Diese wurde schon sehr früh, nämlich 1896 gebaut.
Zu Fuss gibt es in Glasgow viel zu entdecken. Auf den Streifzügen durch die Stadt begegnen dir viele kuriose Dinge. Ein Merkmal der Stadt sind die gestalteten Hausfassaden. Interessierst du dich für Street-Art solltest du dem City Center Mural Trail folgen. Uns genügt jedoch, was wir unterwegs entdecken. Und ohne die Geschichte hinter den Bildern zu kennen, sind sie auch nicht so ansprechend, wie wir das im Gegensatz dazu in Belfast auf unserer Black Taxi Tour erlebt haben.
Nachdem wir uns am ersten Tag in Glasgow trotz U-Bahn Nutzung die Füsse wundlaufen, greifen wir am zweiten Tag auf unseren Mietwagen zurück. An diesem Wochenende in Glasgow lernen wir, dass Glasgow ein Ort voller Gegensätze ist. Schöne Museen, modernste Architektur, prachtvolle historische und viktorianische Gebäude und dazwischen der raue Charme der einstigen Industriemetropole. Licht und Schatten liegen hier bunt gemixt dicht beieinander.
Glasgow entdecken – ein Wochende ist nicht genug
In Glasgow gibt es so viele Museen, Sehenswürdigkeiten und Shopping Center, dass von vornherein klar ist, dass ein Wochenende nicht ausreicht, um die Stadt auch nur ansatzweise zu entdecken. Wir können dir nur empfehlen, dich ein wenig von deinen Interessen und den Wetterverhältnissen leiten zu lassen.
Tipp: Alle städtischen Museen Glasgows sind kostenlos zugänglich. Das solltest du ausnutzen, nicht nur wenn es draussen usselig ist. Wir empfehlen dir unbedingt, die Kelvingrove Art Gallery zu besuchen. Den Besuch kannst du gut mit einem Besuch der Universität von Glasgow kombinieren. Beide Sehenswürdigkeiten waren Highlights unseres Wochenendes in Glasgow.
Sicher gehört es für einen Städtetrip Glasgow auch dazu, dass du durch die Innenstadt bummelst. Auch einen Spaziergang am aufregenden Ufer des Clyde mit all der modernen Architektur solltest du dir keinesfalls entgehen lassen. Dort steht auch die einzige Whisky Destillerie, die es seit kurzem wieder in Glasgow gibt.
Interessierst du dich ebenso für Architektur und Design kommst du an Charles Rennie Mackintosh und dem Glasgower Jugendstil nicht vorbei. Als «Toshie-Pilgerer», wie die Fans von Charles Rennie Mackintosh genannt werden, stehen dir zahlreiche Gebäude und Museen zur Auswahl. Suchst du nach einer Auszeit in einem schönen Park, kann ich dir den Botanischen Garten empfehlen. Nachfolgend stelle ich dir die Sehenswürdigkeiten und Orte in Glasgow vor, die wir an diesem Wochenende besucht haben.
Essen in Glasgow
Glasgow soll kulinarisch viel zu bieten haben. Davon können wir uns leider als Familie mit einer minderjährigen Tochter nicht überzeugen, da wir an diesem Wochenende in Glasgow abends nirgendwo rechtmässig Zutritt haben, wo Alkohol ausgeschenkt wird. Das haben wir so noch nie in Schottland erlebt. Die Pubs, häufig mit Livemusik, kontrollieren per Türsteher die Ausweise. Andere Restaurants ermöglichen den Zugriff auf die elektronische Speisekarte erst, wenn man bestätigt hat, dass man älter als 18 Jahre ist. Ok, da schummeln wir und Jörg gibt die Bestellung für alle Vier auf. Es ist so schon schwer genug, ohne Reservation einen freien Tisch am Wochenende zu bekommen. Andernfalls wären nur die Fastfood-Ketten übrig geblieben.
Die Innenstadt von Glasgow
Wir lassen uns bereits auf der Suche nach dem Visitor Center durch die Innenstadt von Glasgow treiben. Buchanan und Sauchiehall Street sind die beiden Fussgängerzonen. Hier spielt die Musik im wahrsten Sinne des Wortes. George Square mit Merchant City ist zentral im Herzen von Glasgow gelegen. Verkehrslärm, Baustellenlärm, geschäftig hin und her eilende Menschen, alles mischt sich hier. Central Station ist nicht weit entfernt. Viele Buslinien haben hier einen Stopp. Auch die Hop-on-Hop-off Busse starten hier.
Von hohen Säulen blicken schottische Berühmtheiten gelassen über den Trubel. Vor dem Rathaus irritiert ein grosses Mahnmal, was trotz der Fertigung aus Sandstein irgendwie deplatziert wirkt. Es gedenkt der Opfer von Hiroshima und Nagasaki. Auch von Innen muss das Rathaus sehr schön sein.
Tipp: Zweimal täglich werden Führungen durch das Rathaus angeboten. Die Anzahl Personen ist begrenzt. Wer zuerst kommt, bekommt als Erster ein Ticket. Wir merken es uns für das nächste Mal vor.
Die Suche nach dem Visitor Center führt uns auch an der Gallery of Modern Art vorbei. Mehr als der Tempelbau des Gebäudes fallen die Hüte von Pferd und Reiter auf. Das Reiterdenkmal zeigt den Herzog von Wellington. Anderen Bildern nach zu urteilen, wechselt die Hutmode ab und zu, aber die Hüte von Pferd und Reiter gehören seit ihrem erstmaligen Auftauchen inzwischen zum Denkmal.
Die Gallery of Modern Art befindet sich erst seit 1996 in diesem Gebäude. Vorher war die Börse in den Räumlichkeiten untergebracht. Erbaut wurde das Gebäude jedoch 1770 als Stadthaus für William Cunningham.
St. Mungo’s Cathedral
Wir laufen von der Innenstadt zum Kirchenbezirk. Auf den ersten Blick sieht man drei Kirchen und muss erst einmal überlegen, welches wohl die Kathedrale ist.
Die St. Mungo’s Cathedral, auch Glasgow Cathedral oder Kentigern’s Cathedral genannt, ist untrennbar mit der Geschichte der Stadt verbunden. Kentingern ist anderer Name für Mungo. Der Legende nach soll der Heilige Mungo eine Kapelle errichtet haben. Auf seinem Grab bauten die Menschen später eine Kathedrale und drumherum die Stadt Glasgow. Das Grab des Heiligen Mungo ist in der Krypta der Kirche zu besuchen.
Die Kathedrale wurde 1136 geweit. Viele schottische Kathedralen jener Zeit fielen den Kriegen und der Reformation zum Opfer, nicht so St. Mungo’s. Als Besucher betritt man die Kathedrale durch einen Seiteneingang. Die Lichtverhältnisse und zahlreichen Besucher machen es jedoch etwas schwierig, zu fotografieren. Die Kathedrale hat neben vielen Buntglasfenstern einen steinernen Chor sowie eine schöne Holzdecke mit Wappen.
Richtig spannend fanden wir die Krypta. Hier, wo die vielen Säulen das Gewicht der Kathedrale tragen, herrscht eine besondere Atmosphäre. Da die Kathedrale in den Hang gebaut wurde, geht es sogar zwei Etagen tief und es kommt Tageslicht herein. Wir haben uns versucht vorzustellen, wie hier das geistliche und weltliche Leben aussah.
Tipp: In der Kathedrale wird per QR Code auf verschiedene Choraufnahmen aus einer ganzen Reihe von Liedern aus Missa Dum sacrum mysterium von Robert Carver hingewiesen. Diese Lieder findest du auch auf Spotify. Zur Einstimmung auf den Besuch der Kathedrale kannst du da mal reinhören.
Die Stadt der Toten
Von der Kathedrale führt dich der Weg über die Seufzerbrücke zur Nekropolis, dem grossen Friedhof von Glasgow, der sich auf und um einen Hügel windet. Eigentlich war dieser Ort als Park konzipiert und wurde von den Glaswegian als Erholungsgebiet genutzt. Ganz oben auf dem Hügel steht ein John-Knox-Denkmal.
Erst später, im Jahr 1831, kam die Idee auf, diesen Platz zu einem Ort für Tote aller Konfessionen zu machen. Als Vorbild diente wohl der Pariser Friedhof «Père Lachaise». Bereits ein Jahr später wurden die ersten Toten hier bestattet. Die Brücke wurde erst einige Jahre später gebaut. Der Bach über den sie führen sollte, fliesst heute unterirdisch.
Die Stadt der Toten wird diesem Friedhof als Bezeichnung wirklich gerecht, denn eine Stadt ist es. 50.000 Tote sind hier begraben. Sicher nicht alle mit schönen Grabmalen, aber es ist heute tatsächlich ein Ort der Ruhe mit Blick auf die Stadt.
Nachts wird die Stadt der Toten aber für die Lebenden geschlossen. Beachte also die Öffnungszeiten, wenn du die Glasgower Nekropolis besuchen willst.
Wir begeben uns jetzt zur Universität von Glasgow, einem weiteren Highlight unseres Wochenendes. Aber erst einmal müssen wir zurück in die Stadt zur U-Bahn laufen.
Die Universität von Glasgow
Die Universität von Glasgow, heute im Westend gelegen, ist eine jener Sehenswürdigkeiten von Glasgow, die du dir auf einem Städtetrip durch Glasgow keinesfalls entgehen lassen solltest. Auch wenn hier keine einzige Szene für Harry Potter gedreht wurde, könnte sie Pate für Hogwarts gewesen sein. Nur, dass sie mit ihrem doppelten Innenhof noch viel prächtiger ist.
Einigermassen erschöpft genehmigen wir uns erst einmal einen Kaffee im Inneren der Universität, bevor wir uns dann, ausgestattet mit vielen Tipps einer Angestellten, auf Erkundung begeben. Von den Kreuzgängen und Wendeltreppen in den Türmen hatten wir vorab schon gelesen. Die Randolph Staircase, die zur Universitätsverwaltung führt, haben wir dann eher durch Zufall entdeckt. Du findest dieses schöne Treppenhaus, wenn du den Eingang nimmst, der gegenüber den Fahnen liegt, von wo aus du die Kelvingrove Art Gallery sehen kannst.
Und wie es sich für eine angelsächsische Universität gehört, gibt es auch einen Laden mit Fan-Artikeln. Die Kleidungsfarbe ist weinrot.
Tipp: Täglich, ausser montags, findet eine öffentliche Führung durch die Universität statt. Weitere Informationen dazu, findest du auf der Website der Universität.
Die Universität von Glasgow ist übrigens aus der St. Mungo’s Cathedral heraus entstanden. Zu verdanken ist dies dem Bischof William Turnbull. Er bemühte sich mit Hilfe seines Freundes König James II. beim Papst um die Genehmigung zur Gründung einer Universität. Sie wurde bereits 1451 in der Umgebung der Kathedrale gegründet. Damit ist die Universität von Glasgow nach der Universität von St. Andrews die zweitälteste Universität Schottlands.
Hinweis: In den Gebäuden der Universität befindet sich auch das kostenlos zu besuchende Hunterian Museum, für das wir leider keine Zeit hatten. Um 17.00 Uhr schliessen nämlich viele öffentliche Einrichtungen in Glasgow.
Kelvingrove Art Gallery – eine verrückte Mischung
Unweit der Universität von Glasgow befindet sich im gleichnamigen Park die Kelvingrove Art Gallery. Das Gebäude aus rotem Sandstein wirkt schon von aussen imposant. Bei unserem ersten Versuch die Kelvingrove Art Gallery zu besuchen, hatten wir leider Pech, denn wir waren kurz vor Schliessung dort. So gehen wir am nächsten Tag, nach dem Besuch des House for an Art Lover noch einmal vorbei und hatten dadurch das Glück, in den Genuss eines Orgelkonzertes zu kommen.
Nachdem wir glücklich noch einen Parkplatz ergattert haben, erkunden wir neugierig das Gebäude und die Ausstellungsräume. Die Kelvingrove Art Gallery besitzt verschiedene Gemäldesammlungen, auch mit Bildern sehr berühmter Maler. Sie ist aber auch ein Naturkundemuseum mit ausgestopften Tieren und einem besonderen Fokus auf die schottische Fauna. Ebenso findet man Ausstellungen zu verschiedenen Aspekten der Geschichte.
Im Erdgeschoss hängen die berühmten «Floating Heads» von Sophie Cave, die wir von verschiedenen Positionen näher anschauen.
Im Ostflügel liegt ein Fokus auf dem Thema Design. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass Mackintosh und der Glasgower Jugendstil mit vielen Ausstellungsstücken gewürdigt werden. In der Kelvingrove Art Gallery sind so viele Themen vertreten, dass für jeden etwas dabei ist und man viele Stunden in diesem Museum verbringen könnte. Für uns ist der Besuch hier wirklich eines der Highlights an unserem Wochenende in Glasgow. Noch dazu ist es ein kostenloses Vergnügen.
Während wir durch die Gemädegalerie wandern, ertönt Orgelmusik, so kommen wir noch in den Genuss eines Orgelkonzertes, welches wir von der Balustrade im oberen Geschoss beobachten.
Tipp: So weit wir es in Erfahrung bringen konnten, wird die Orgel täglich um 13.00 Uhr gespielt.
Moderne Architektur – ein Spaziergang am Clyde entlang
Da die Kelvingrove Gallery bei unserem ersten Versuch, sie zu besuchen bereits geschlossen hat, wandern wir weiter zum Clyde. Unser Weg führt vorbei an modernen Studentenunterkünften mit Gemeinschaftsküchen und Fitnessbereich. Nachdem wir den Yorkhill Park durchquert haben, können wir bald auf einer Fussgängerbrücke die M814 überqueren und landen auf der anderen Seite direkt bei der Clydeside Distillery.
Das muss Schicksal sein. Obwohl eigentlich für Besucher schon geschlossen, sind noch Leute in den Räumen. So geht Jörg herein und schwatzt noch mit dem Barkeeper, während er einen Whisky trinkt. Die Destillerie ist noch sehr jung. Der erste Whisky wurde 2017 destilliert und kann inzwischen gekostet werden. Ich ruhe derweil meine müden Füsse aus und fotografiere ein wenig.
Ein Glas Whisky später geht es weiter immer am Clyde entlang. Im BBC Gebäude auf der anderen Seite spiegelt sich das Clyde Auditorium, welches die Glaswegians wegen seines Aussehens Gürteltier getauft haben.
Das Dach besteht aus acht ineinander verschachtelten Schiffsbugen und erinnert an die Zeit, als hier am inzwischen aufgefüllten Queen’s Dock ein Zentrum des Schiffsbaus war.
Auf der anderen Seite trifft das Gürteltier auf eine Mehrzweckhalle, das Hydro Ei, einem modernen Rundtheater. Es ist mit transluzenten Folien versehen, die es ermöglichen Bilder auf die Aussenhaut zu projizieren und diese in Millionen Farben erstrahlen zu lassen.
Am Ufer steht noch ein Zeitzeuge aus der Zeit der Schwerindustrie. Lokomotiven, Schiffe, Panzer – alles wurde hier gebaut und verladen. Der Finnieston Kran bringt 175 Tonnen Gewicht bei einer Höhe von 53 m und einem Ausleger von 46 m auf die Waage. Er ist einer von vier Kränen, die heute noch am Clyde stehen.
Die Clyde Arc Bridge wird in der Dunkelheit angeleuchtet und spiegelt sich dann wunderschön im Wasser. Allerdings bin ich nach diesem Tag in Glasgow so platt, dass ich abends nicht noch einmal losgehe, um zu fotografieren.
Es gibt viele weitere Brücken über den Clyde wie diese moderne Fussgängerbrücke, die vor der Eisenbahnbrücke verläuft.
Eigentlich wäre es am besten, auf dem einen Ufer hin und am anderen Ufer zurückzulaufen, aber dafür ist ein Wochenende in Glasgow zu kurz.
Charles Rennie Mackintosh und der Glasgower Jugendstil
Wenn du Glasgow besuchst, kommst du nicht an einem heute gefeierten Multitalent vorbei. Die Rede ist von Charles Rennie Mackintosh, der sich als Architekt, Designer, Innenarchitekt, Grafiker, Kunsthandwerker und Maler einen Namen machte. Seiner Ansicht nach durchdrang Design das ganze Leben und so entwarf er neben Häusern auch viele Alltagsgegenstände wie die berühmten Stühle oder Geschirr. Er gilt als Begründer des Glasgower Jugendstil, der geradlinig, modern, schnörkellos und hell daherkam.
Wie revolutionär dies war, kannst du nur ahnen, wenn du dir den viktorianischen Einrichtungsstil vor Augen hältst. Das Bürgertum lebte in vollgestopften Stadthäusern mit schweren Samtvorhängen, dunklen Möbeln und schweren Sitzmöbeln. Die Wände waren mit Ölbildern, die historische Szenen darstellten, geschmückt.
Vergessen geht bei der Aufzählung der Talente oft seine spätere Frau, Margaret MacDonald, die hinter vielen seiner Designentwürfe stand. Mackintosh sagte selbst: «Margaret ist ein Genie, ich habe nur Talent.» Margaret, ihre Schwester Francis und deren späterer Ehemann Herbert McNair und Charles Rennie Mackintosh begründeten die Gruppe «The Four». Sie kannten sich alle aus der Zeit ihres Studiums an der School of Arts, vertraten ähnliche Ideen und wurden durch die VIII. Ausstellung an der «Wiener Secession» international bekannt.
Nicht zuletzt durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde eine internationale Karriere von Charles Rennie Mackintosh verhindert. Das Genie starb 1928 arm und alkoholabhängig mit 60 Jahren an Zungenkrebs. Seine Frau starb vier Jahre später. Die Ironie der Geschichte: Der Besitz der Mackintosh galt damals als wertlos. Ein Sekretär wurde für 21 Pfund verscherbelt. Knapp 50 Jahre später war er dann 1 Million Pfund wert. Bis heute kann man Gegenstände und Möbel im Mackintosh Design erwerben.
Mackintosh at the Willow
Wir begeben uns gleich zu Beginn unseres Wochenendes in Glasgow auf Spurensuche des berühmten Architekten und Designers Charles Rennie Mackintosh. Dazu besuchen wir als Erstes das Museum Mackintosh at the Willow neben dem Tearoom in der Sauchiehall Street Nr. 217. Der Tearoom und das angrenzende Gebäude wurde von The Willow Tea Rooms Trust 2014 erworben und restauriert und zum 150. Geburtstag von Charles Rennie Mackintosh 2018 neu eröffnet. Hatte doch Mackintosh in diesem Gebäude 1903 auf vier Etagen seinen aufwendigsten Teesalon für Catherine Cranston gestaltet.
Catherine Cranston war eine grosse Mäzenin von Charles Rennie Mackintosh und ebenfalls eine sehr interessante Persönlichkeit.
Das Museum ist ein interessanter erster Anlaufpunkt, wenn man sich erstmalig mit Charles Rennie Mackintosh auseinandersetzt. Der Salon Deluxe und das Billardzimmer sind jedoch nur zu bestimmten Zeiten zu besichtigen. In der Kelvingrove Art Gallery findet man viele Originale von Mackintosh und das House for an Art Lover ist nach seinen Entwürfen gebaut und eingerichtet.
Solltest du wenig Zeit in Glasgow haben, würde ich dir den Besuch im House for an Art Lover empfehlen. Einfacher zu erreichen ist jedoch die Kelvingrove Art Gallery.
Catherine Cranston
Catherine (Kate genannt) Cranston eröffnete innerhalb weniger Jahre vier sogenannte Teeräume. Sie ist die erste Unternehmerin Schottlands und ist die zweite Frau neben der Königin, die nun die Rückseite einer schottischen Banknote ziert. Ein Bild findest du hier. Sie eröffnete ihre Teeräume zu einer Zeit, da es noch keinerlei Kaffeehauskultur gab. Es war auch eine Zeit, als es für respektable Frauen des Bürgertums keine Möglichkeit gab, sich ausser Haus ohne männliche Begleitung zum Essen oder zum Tee zu treffen. Für Männer gab es die privaten Männerclubs und die Arbeiterklasse konnte sich im Pub auf ein Bier oder Whisky treffen.
Doch der Reihe nach. Miss Cranston’s Eltern führten ein Hotel in Glasgow. Ihr älterer Bruder stieg in den Teehandel ein und eröffnete 1875 einen Musterraum, den ersten Teeraum der Stadt.
Im Alter von 29 Jahren eröffnete die erst spät heiratende Catherin Cranston 1878 ihre «Crown Tea and Lunchrooms». Dies war das erste von vier Teehäuser. Die «Crown Tea and Lunchrooms» boten sowohl Räume an, die nur Frauen vorbehalten waren und sich grosser Beliebtheit erfreuten, als auch Räume für gemeinsame Essen und ausschliesslich Herren vorbehaltene Billardzimmer und Raucherräume. Das Besondere an ihren Teeräumen war die Liebe zum Detail. Vom Törtchen bis zur Kleidung der Angestellten war alles perfektioniert.
Doch nicht nur die Idee mit Räumen, wo sich Frauen aus dem Bürgertum treffen konnten, war revolutionär. Miss Cranston gab alleinerziehenden Frauen nicht nur einen Job, sondern eine Art Familie. Da es noch keine Krankenversicherung gab, behielt sie einen kleinen Anteil des Lohns ein, sodass sie den Mädchen im Fall von Krankheit weiter Lohn zahlen konnte.
House for an Art Lover
Das House for an Art Lover im Bellahouston Park ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln etwas beschwerlich zu erreichen. Deshalb fahren wir mit dem Auto. Vis-à-vis vom Parkplatz staunen wir über eine Skianlage.
Aber nur kurz, denn dann nimmt uns das House for an Art Lover in Beschlag. Dank den Audio Guides erfährst du die ganze Geschichte hinter dem Hause. Und die ist spannend.
Mackintosh hat die Entwürfe für das House for an Art Lover 1901 für den Wettbewerb beim deutschen Design Magazin, einer Zeitung für Innendekoration entworfen. Die Zeitung gab einen Rahmen vor, der sehr viel künstlerische Freiheit ermöglichte.
Auf der Suche nach einer Herausforderung kam Graham Roxburgh die Idee, das Haus nach den Plänen von Mackintosh zu bauen. Er war bereits in die Restaurierung der Innenräume in der nahe gelegenen Craigie Hall involviert und so mit den Designentwürfen von Mackintosh in Verbindung gekommen. Da die Zeichnungen Mackintoshs jedoch für den Wettbewerb und nicht für den Bau angefertigt wurden, blieb viel Raum für Interpretationen. Auch war viel Detektivarbeit notwendig, um Materialen und vergessene Handwerkskunst für die Innenausstattung zu finden.
Baubeginn für das Haus war 1989. Eröffnet werden konnte es dann 1996. Ursprünglich als eleganter Landsitz für eine Person mit Geschmack und Kultur entworfen, besteht der Zweck des House for an Art Lover heute darin, das öffentliche Interesse an Kunst, Design und Architektur zu fördern. Durch seine Ateliers und den Zugang für Studenten hat es Mackintoshs ursprüngliche Vision erweitert. Heute ist das Haus für Kunstliebhaber und alle Kunstinteressierte offen.
Tipp: Da das House for an Art Lover ein beliebter Ort für Hochzeitsfeiern ist, solltest du unbedingt auf der Website schauen, ob es für die Öffentlichkeit zugänglich oder vermietet ist.
Glasgow Botanic Gardens
Mich zieht es an diesem schönen Tag noch in den botanischen Garten. Und zu meiner Überraschung ist auch dieser Ort ein öffentlicher Ort und kostet keinen Eintritt. Dafür herrscht hier heute Volksfeststimmung. Ob es am schönen Wetter liegt oder daran, dass in den Glashäusern die Orchideenzüchter ausstellen und um die schönsten und ausgefallensten Orchideen wetteifern, weiss ich nicht. Gleich am Eingang wird der Besucher kulinarisch mit allerlei Süssigkeiten verwöhnt. Auf den Wiesen lagert halb Glasgow und geniesst den schönen Tag.
Für mich ist es gerade so warm, dass ich mich in der Sonne von meiner Jacke trenne, aber für die Einheimischen scheint dies der erste Sommertag zu sein. Kurze Hosen und Sommerkleidchen werden ausgeführt, als wäre es mindestens 25 Grad warm. Dabei kommt hier an unserem Wochenende in Glasgow immer wieder überraschend am Nachmittag ein kühler Wind auf.
Die viktorianischen Glaspaläste treten heute in den Hintergrund. Auch wurde zumindest im runden Haupthaus wohl alles ein wenig umgeräumt, damit die Orchideen Platz haben. Die Züchter scheinen alle im Rentenalter zu sein und verwickeln mich in manches Gespräch, da ich als einzige mit grosser Kamera unterwegs bin. So kommt es, dass ich mich dann richtig beeilen muss, um noch etwas von den Aussenanlagen zu sehen zu bekommen.
Wenn du auf deinem Städtetrip durch Glasgow etwas Zeit hast, solltest du dir den Botanischen Garten nicht entgehen lassen. Sehr schön ist auch der Benmore Botanic Garden und Loch Lomond vor den Toren Glasgows.
The Riverside Museum Glasgow
Während ich im Botanischen Garten von Glasgow herumbummle, fährt Jörg zum Riverside Museum weiter. Auch dieses Museum ist kostenlos zu besichtigen, nur der Parkplatz kostet Geld. Und wie es so ist, kann man ausgerechnet diesen Parkplatz nicht mit der Kreditkarte bezahlen. Und da ich das Bargeld im Rucksack habe, steht mein Mann blöd da. Aber einmal mehr bewahrheitet sich: the people makes Glasgow. Als Jörg im Museum fragt, ob er dort die Gebühren entrichten kann und davon erzählt, dass ich mit dem Geld im Botanischen Garten verweile, wird er kurzerhand auf den Angestellten Parkplatz gelotst und damit ist das Problem gelöst.
Das Riverside Museum ist eines jener hochmodernen Gebäude, die man entlang des Flusses Clyde bewundern kann. Von der Architektin Zaha Hadid entworfen, beherbergt es das Transport Museum. Am Fluss kann man ein grosses Dreimaster Segelschiff besichtigen. Insofern macht die Form des Museums, die spontan an eine stilisierte grosse Welle erinnert, richtig Sinn.
Die Menge der Fahrzeuge, die im Museum ausgestellt sind, erschlagen den Besucher nicht nur am Ende eines eindrücklichen Tages. Strassenbahnen, Züge, Autos, Modelle von Schiffen, Fahrräder – alles steht zur Besichtigung bereit. Ein Strassennachbau versetzt den Besucher in alte Zeiten. Die Beleuchtung sorgt dafür, dass es nicht zu echt wirkt.
Das Segelschiff lässt dann allerdings Jörgs Herz etwas höher schlagen. Die Glenlee hat vier Mal die Welt umrundet und war mehr als 5.000 Tage auf See, bevor sie nun das Riverside Museum bereichert.
Am Abreisetag wollen wir noch einmal das Meer sehen und fahren von Glasgow zum Firth of Clyde, wo wir das Graffiti Schloss Kelburn Castle und Portencross Castle besuchen, bevor dieser Urlaub endgültig zu ende geht.
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