Atemberaubende Schneelandschaften im Tombstone Territorial Park
Beim Frühstück erfahren wir, dass die Aussentemperatur minus 41 Grad Celsius beträgt. Mit solchen Temperaturen hatten wir sicher nicht gerechnet als wir unsere Schneeschuhtour im Tombstone Territorial Park von zu Hause aus gebucht hatten. Einmal mehr sind wir froh, dass wir das arktische Winterkleidungspaket in Whitehorse gemietet haben.
Die Prozedur des Anziehens ist kräftezehrend, vor allem in geheizten Innenräumen auch recht schnell schweisstreibend. Die Kamera Akkus sind alle in irgendwelchen Taschen in der Nähe des Körpers verstaut. Da wir uns nicht sicher sind, bis zu welchen Temperaturen die Kameras noch funktionieren, nehmen wir beide Kameras mit, wobei Jörg seine Kamera auf der Wanderung dann im geheizten Auto lässt. So vorbereitet steigen wir erwartungsfroh kurz vor 10.00 Uhr in den Kleinbus von Bernd von Klondike Experience.
Offensichtlich sind wir nicht die einzigen, die auf die Idee einer Schneeschuhwanderung im Tombstone Territorial Park gekommen sind. Im Auto sitzt bereits eine nette ältere Dame. So ist der Beifahrersitz, welcher zum Fotografieren während der Fahrt hervorragend geeignet wäre, leider schon besetzt.
Doch dies ist nicht das einzige Hindernis. Die Frontscheibe ist von Steinschlägen zerlöchert und hat grosse Risse. Bernd erklärt uns, dass eine Frontscheibe hier maximal ein halbes Jahr hält. Da die Strassen mit Splitt gestreut werden, hoffen wir mal, dass die Scheibe unsere Tour noch aushält.
Anfahrt in den Tombstone Territorial Park
Der Abzweig auf den Dempster Highway, der den Tombstone Territorial Park in zwei Teile zerschneidet und weiter nach Inuvik führt, liegt etwa 40 km von Dawson City entfernt. So fahren wir erst einmal ein Stück des Weges, den wir am Vortag gekommen sind, zurück. Aber was für eine Lichtstimmung erwartet uns?
Nie hätte ich es für möglich gehalten, dass man bei diesen Temperaturen mit einer Art Dunst oder Nebel rechnen muss. Mein Mann, der Physiker erklärt uns gleich ganz begeistert, dass es sich um Sublimation handelt. Unter Sublimation versteht man den Prozess, wenn ein Stoff direkt von fest zu gasförmig wechselt, ohne vorher flüssig geworden zu sein. Diese daraus entstehende Lichtstimmung und das Spiel von Licht und Schatten begeistern mich.
Wir erreichen den Abzweig zum Dempster Highway. Ein Schild erklärt, dass es keinen medizinischen Service auf dem Dempster Highway im Yukon Territory gibt.
Hinter der Brücke über den Yukon halten wir kurz an. Jörg und ich springen aus dem Auto. Selbst für wenige Minuten müssen wir alles wieder anziehen. Ich mach die Erfahrung, dass die Finger bei diesen Aussentemperaturen nur in den dünnen Handschuhen nicht lange mitmachen. So muss ich heute lernen, den Auslöser mit den dicken Fellhandschuhen zu drücken.
Weiter geht es als erstes zu einem Aussichtspunkt. Die Fahrt und der Blick auf die schneebedeckten Berge ist traumhaft schön. Am Aussichtspunkt steigen wir dann alle aus.
Während wir auf die Tombstone Mountains schauen, erklärt uns Bernd, dass sich hier Wasserscheiden befinden. Das Wasser unterhalb unseres Standpunktes fliesst alles in den Yukon River und irgendwann in die Bering See. Ein paar Kilometer nördlich fliessen die Flüsse in den Mackenzie River und schliesslich in die Beaufort See und damit ins Polarmeer.
Die Schutzhütte auf dem Campground
Vom Aussichtspunkt fahren wir ein kleines Stück zurück zu einem verwaisten Campingplatz. Hier steht eine Schutzhütte mit einem gusseisernen Ofen. Bernd hat Holz im Auto mitgebracht, so dass wir als allererstes den Ofen anwerfen und das Auto entladen.
Um warm zu bleiben, erkunden die Mädels mit mir die nähere Umgebung der Hütte.
Dann erklingt der Essensruf. Eine grosse Kühlkiste enthält Sandwiches, Muffins, Minestrone in Thermoskannen, heisses Wasser für Kaffee und Tee. Der Hunger ist noch nicht so gross und bei den Getränken halten sich auch alle etwas zurück, denn alle haben Angst bei diesen Temperaturen das Plumpsklo besuchen zu müssen.
Ein wenig stärken wir uns, bevor wir uns der nächsten Herausforderung stellen, nämlich dem Anziehen der Schneeschuhe. Bernd hat traditionelle Schneeschuhe für uns dabei. Es ist gar nicht einfach diese an den Schuhen zu befestigen, aber eine ganze Zeit später ist es dann so weit. Bernd schätzt, dass sich die Aussentemperaturen inzwischen auf minus 35 Grad Celsius erwärmt haben. Wärmer wird es wohl heute nicht mehr.
Auf Schneeschuhen durch den Tombstone Territorial Park
Mit diesen riesigen Schneeschuhen zu laufen, will geübt sein. Irgendwie muss man sehr breitbeinig laufen und grosse Schritte machen, um nicht mit dem einen Schuh auf den anderen zu latschen. Läuft man wie mit anderen Schuhen auch, verwandeln sich die Schneeschuhe in gigantische Schaufeln für lockeren Schnee, so dass man kaum noch das Bein heben kann.
Ich lerne auf die harte Tour, dass Schneeschuhe nur bedingt das Einsinken im Schnee verhindern. Für ein Fotomotiv habe ich die von Bernd vorgespurte Spur verlassen. Offensichtlich bin ich in eine Schneewehe neben einem verschneiten Busch getreten und einen halben Meter tiefer gerutscht. Hier nun mit diesen Riesenlatschen und einer Kamera in der Hand wieder herauszukommen, war ein hartes Stück Arbeit. Ich fühlte mich an die Geschichte von Münchhausen erinnert, als er beschreibt, wie er sich an seinen Haaren aus dem Sumpf zieht.
Die ältere Dame kehrt bald wieder um, da sie mit diesen Schneeschuhen, die so ganz anders als moderne Schneeschuhe sind, nicht laufen kann. Sie wird in der Hütte bzw. dem Auto auf uns warten. Da die Gefahr, dass das Auto nicht mehr anspringt, zu gross ist, läuft der Motor und die Heizung die ganze Zeit weiter. Wir folgen Bernd.
Ich mache die Wanderung ohne Brille, denn egal wie ich atme, die Feuchtigkeit der Atemluft gefriert sofort auf der Brille und ich sehe gar nichts mehr. Dafür bekomme ich besondere Wimpern.
Obwohl es eher ein Schneeschuhspaziergang als eine Wanderung war, kommen wir auf dem Zahnfleisch zurück. Der ungewohnte Gang führte bei allen zu mehr oder weniger ausgeprägten Rückenschmerzen. Dafür ist uns ordentlich warm geworden.
Two Moose Lake und ein «Sundog»
Nach der Rückkehr in der Schutzhütte sind wir den Esswaren in der Kiste schon deutlich aufgeschlossener gegenüber. Anschliessend fahren wir weiter auf dem Dempster Highway durch den Tombstone Territorial Park zum Two Moose Lake und geniessen die Aussicht. Unterwegs halten wir noch einmal an.
Je näher wir dem Two Moose Lake kommen umso dunstiger wird es. Ob Wind die feinen Eiskristalle aufwirbelt oder es tatsächlich ganz kleine Eiskristalle schneit, können wir nicht feststellen. Die Stimmung des Lichtes ist wieder wunderschön.
Als die Sonne tiefer am Horizont steht, bietet sich uns ein besonderes Spektakel, welches Sundog genannt wird. Diamantstaub, der aus kleinen flachen sechseckige Eiskristallen besteht, wirkt wie viele Prismen und bricht das tief stehende Sonnenlicht. Ein Sundog ist ein atmosphärisch optisches Phänomen, das aus einem hellen Fleck auf einer oder beiden Seiten der Sonne besteht. Zwei Sonnenhunde flankieren die Sonne oft innerhalb eines 22° – Heiligenscheins.
Wir verweilen eine ganze Weile und beobachten den Sundog, bevor wir uns langsam auf den Rückweg nach Dawson City machen. Wir sehen noch einen Luchs, der recht schnell im Wald verschwindet. Damit geht ein wunderschöner Tag im Tombstone Territorial Park zu ende.
Links zu weiteren Berichten von unserer Kanada Reise:
Yukon im Winter erleben – eine verrückte Idee?
Ein Tag in Whitehorse bei schönstem Winterwetter
Yukon Quest – Zieleinlauf in Whitehorse
Dawson City – ein Ort wie ein Museum